Theodor Reuss
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Ähnlich wie Crowley ist Reuss oft in Prozesse verwickelt. Schon der Start des O.T.O. und der Start der Ordenszeitschrift "Oriflamme" haben mit Gerichtsprozessen begonnen. An der Sitzung der "Grossloge" von Reuss' Ordenssammlung am 2.9.1902 stellen die Gründer Reuss, Weinholtz, Rahn, Gross, Börner, Augsburg und P.C. Martens ("Entschuldigt: Leichnitz") fest, dass sich Leopold "Engel und Miller weigern, ihre Diplome der Loge zurückzugeben. Von einer Klage wird Abstand genommen. Dagegen sollen die Certifikate in der Oriflamme [...] für ungültig erklärt werden." Walther tritt "aus dem Illuminatenorden" aus. Geldmangel zwingt Reuss, von Gross Geld für die Oriflamme zu leihen und er bezahlt die Schulden mit der Vergabe der höchsten Memphis-Misraïm-Grade. Reuss fasst das Darlehen nun aber als Privatdarlehen (und nicht als Darlehen an die Loge) auf und wird deswegen Mitte 1905 vor die Gerichte gezerrt. Man findet heraus, dass Reuss' Unternehmen (Ordensgründung und Ordenszeitschrift) ohne Erlaubnis der "Mutterloge und Tempel 'Zum heiligen Gral'" in Berlin als völlige Privatsache des Beklagten, d.i. Reuss, gelaufen ist. Nicht nur Weinholtz wehrt sich energisch gegen Reuss; an der Seite von Gross: Erich Walter, August Boerner, Hermann Fügner. Nichtsdestotrotz erhalten Theodor Reuss, Franz Hartmann und Heinrich (Henry) Klein am 24. Juni 1905 (zwei Wochen nach Carl Kellners Tod) eine John Yarker-Charta (Text in "Der Freimaurer," Leipzig 15.7.1905) und einen Vertrag, worin das Souveräne Sanktuarium des Schottischen Memphis und Misraim-Ritus die Mutterorganisation des Gross-FM-Loge von Deutschland wird. 1906 klagt obenerwähnter Martens (der 1924 "Geheime Gesellschaften" publiziert) Reuss an, eine homosexuelle Attacke gegen ihn geführt zu haben. Schon 1908 drückt ein Herr Dotzler Reuss gegenüber sein Bedauern aus, dass gewissen Hatha-Yoga-Lehren eine künstliche Bedeutung zugetragen werde. Ellic Howe/Helmut Moeller berichten in ihrem Werk "Merlin Peregrinus" (Würzburg 1986), dass auch Dotzler eines homosexuellen Zusammenhangs mit Reuss verdächtigt worden sei. In der Oriflamme 1914 verteidigt sich Reuss, dass A.P. Eberhardt in seinem "Winkellogen Deutschlands" (Leipzig 1914) auf diese Ereignisse in München 1903 zurückgreift. Über einen Ausgang von rechtlichen Streitereien ist nichts bekannt. 1926 schreibt die Wiener Freimaurerzeitung in der Nummer 9/10 auf Seite 28, dass Reuss 1906 nach Bekanntwerden obiger Vorfälle aus der Societas Rosicruciana in Anglia entlassen worden sei und beschreibt die Vorkommnisse als "Betasten der gegenseitigen phalli". 1936 berichtet der völkische "Judenkenner" erneut über diese Gerüchte. Das vorliegende Manuskript ist vom Ende Oktober 1919 datiert und soll zeigen, wie zur Gründerzeit des O.T.O. mit Sexualität umgegangen wurde. Die handschriftlichen Ergänzungen Reuss' sind eingefügt. English translation of this preface Faksimiles von Reuss-Material in |
Von Theodor Reuss.Bis zum Beginn des Krieges, vielleicht noch länger, gab es in München eine Pension, die viele Jahre hindurch hauptsächlich von jungen Künstlern und Künstlerinnen besucht wurde. Die Besitzer galten als freundliche, harmlose Leute, die gern frohe Jugend um sich sahen. Am Geld schien ihnen nicht besonders viel gelegen zu sein, manche Gäste zahlten wenig, zeitweise gar nicht. Es gab junge Mädchen, die sich für wenig Geld dort sehr gut aufgehoben fühlten. Jeden Abend wurde getanzt, aber wer nicht wollte, brauchte nicht mitzutun. Von Zeit zu Zeit fanden Feste statt, die in ihrer ganzen Aufmachung so gehalten waren, dass, wie ein Augenzeuge erzählte, zum Schluss alles paarweise am Boden lag. Einer sass in der Mitte und sah zu. Manches junge Paar hat in diesem Tempel gegen seinen Willen sein erstes Opfer gebracht. Das ging viele Jahre so und war bekannt und anerkannt, dass das Unternehmen völlig gesichert war. Wehe dem, der sich darüber entrüstete! Alle Entrüstung kehrte sich gegen ihn! Wehe, wenn einer von den Vielen, die ahnungslos den von allen Seiten kommenden Aufforderungen gefolgt waren, in der Qual einer unerträglichen Erinnerung, unter dem Zwange einer unbegreiflichen Situation, von dem Erlebten reden wollte! Er fand taube Ohren u. spöttisch-höhnische Feindseligkeit. überall in der Stadt wurde für dieses Haus geworben, in der Universität, den Akademien und Ateliers. Es war ein Stützpunkt für eine namenlose Bande von Okkultisten, die im Grossen Sexualmagie betrieben, sozusagen eine Aktiengesellschaft zur Ausbeutung der psychischen und physischen Kräfte ihrer Mitmenschen. Die eigentlichen Aktionäre blieben im Hintergrund. Sie hatten die Wege zum Erfolg auf jedem Gebiet inne, u. wer damals als Künstler oder Gelehrter geschäftlich oder gesellschaftlich etwas erreichen wollte, musste mit einem Kreise Fühlung suchen, der ausser jener Pension das Haus eines reichen jüdischen Kunstliebhabers als Treffpunkt hatte. Niemand konnte sagen, wer eigentlich die Fäden in der Hand hatte, wer der Herrscher dieses Staates im Staate war, dessen Grenzen keineswegs in München, auch nicht in Deutschland lagen. Über die ganze Kulturwelt erstreckte sich das Netz. Wer brav mittat, dem ging es glänzend. Viel wäre zu erzählen vom dem Wirken dieser Leute, vor allem Dinge, die ganz anderer Art sind als alles, was sonst in der Welt vorgeht. Man kanndergleichen schwer schildern, weil man sich ganz neue Begriffe aneignen müsste. Viele wurden ganz aus ihrer Bahn geworfen, gerieten in unentwirrbare, unbegreifliche Schwierigkeiten, unerwünschte Beziehungen und Abhängigkeiten. Eine allgemeine Stimmung von Degradation und Herabwürdigung, eine erdrückende Melancholie, eine tiefe Ratlosigkeit lag über den jungen Leuten, während manche eine unangenehme Verwilderung und Verrohung zeigten. Wer gegen den Strom schwimmen wollte, der fühlte sich von Angstzuständen, ja Selbstmordsuggestionen gepeinigt. Was nützte es, nach der Ursache eines plötzlichen Wahnsinnsausbruchs, eines Selbstmordes, oder gar eines Verbrechens zu forschen? Es mag 15 Jahre oder mehr her sein, da beging ein Mann aus Mühlhausen (?) einen Massenmord, dem viele Personen zum Opfer fielen. Er gab an, dass er sich habe rächen wollen, weil er vor Jahren zu einer Orgie verführt worden war und diese Erinnerung nicht ertragen konnte.- Mancher sah sich von ungewohnter Feindseligkeit umgeben, stiess auf unbegreifliches Misstrauen, kämpfte vergeblich mit Missverständnissen. Dergleichen konnte sich auch plötzlich ändern und ins Gegenteil umschlagen. Denn man konnte jener Bande auf mancherlei Weise dienen, auch ganz unwissentlich, mit Geld, Einfluss, Stellung, Namen oder durch persönliche Eigenschaften. Es gab auch solche, die mit ihrem guten Herzen dienten. Besonders auffallend war die Verkehrung des Urteils, der Wertung. Offenbar verstand man sich auf die Beeinflussung der Massenpsyche. Irgend eine Handlung konnte Entrüstung oder Begeisterung hervorrufen oder lächerlich erscheinen, je nach Person und Gelegenheit. Ein schwerwiegendes Ereignis konnte unbemerkt vorübergehen, ein unbedeutender Vorfall einen Sturm entfachen. Weit auseinanderliegende Zufälle erschienen plötzlich wie Perlen einer Schnur in ungeahntem Zusammenhange. Es war, wie wenn auf irgend eine Weise Aufmerksamkeit nach Belieben konzentriert oder abgelenkt werden könnte. Die an einer Stelle verdeckten Emotionen pflegten woanders wieder aufzutauchen. Der Zorn, der bei einer Gelegenheit aus irgendwelchen Gründen niedergehalten wurde, konnte in einem anderen Falle verwendet werden. Die Bewunderung, die man das eine Mal nicht aufkommen liess, war für eine gewünschte Gelegenheit zur Verfügung. So ist die Entrüstung, die jetzt gegen O.T.O. und seine Vertreter aufflammt, sozusagen aus München bezogen. Die Dinge, die man O.T.O. vorwirft, waren dort an der Tagesordnung. Und wie wurden sie beurteilt? "Wenns wahr ist, sollte man erst recht nicht darüber sprechen." Gegen was richtet sich die Entrüstung im Grunde? Keineswegs gegen die sexuelle Handlung. Die heftigsten Gegner des O.T.O. sind die Leute mit sogenannten freien Ansichten, die Cyniker und sorglosen Geniesser. Die gegen O.T.O. gerichtete Wut hat ihren Grund in Wahrheit darin, dass O.T.O. eine andere Stellung zu der Sache hat als die andere Partei. Diese leitet die Massenorgien in einer Weise, dass den Leitern, die über ein grosses, wenig populäres und sorgsam gehütetes Wissen verfügen, Macht, Geld und noch manches andere, für den normalen Menschen Unvorstellbare, für sie aber höchst Wertvolle zufliesst. Sie wissen z.T. mit durchaus geistigen Mitteln, zu verhindern, dass Menschen Einblick gewinnen, die nicht ihres Geistes sind, d.h. welche die erworbenen Kenntnisse und Kräfte nicht zur Ausbeutung verwenden. Das gilt ihnen als Verrat. Auf eine höchst geistreiche Weise wissen sie das Menschenmaterial zu prüfen. Die Empörung gegen O.T.O., angeblich wegen Unsittlichkeit, richtet sich in Wahrheit gegen die Tendenz des O.T.O., die geschlechtliche Vereinigung im natürlich-ursprünglichen Geiste, nämlich als heilige Handlung, als Sakrament zu betrachten. Mit allen Mitteln soll verhindert werden, dass diese Auffassung sich durchsetzt. Denn wenn sie selbst nur von wenigen begriffen und in die Tat umgesetzt wird, erwächst jenen ein unberechenbarer Verlust dadurch. Soviel grösser ist diese im Sinne wahrer Menschlichkeit geübter Kraft. Aus diesem Grunde wird die natürliche Enthaltsamkeit durch kirchliche Bestimmung und philosophische Erklärungen, auch durch weitverbreitete Vorurteile und Suggestionen unterstützt, damit möglichst die schöpferische Kraft des Menschen nur im Sinne des Bösen verwendet werde. Dies geschieht schon immer, wo sie nicht mit Liebe verbunden ist. Die gewaltige Ausdehnung dieses Prinzips und die systematische Ausnützung erklärt die ungeheure Wirkung. Die erwähnte Pension in München ist nicht das einzige Unternehmen dieser Art. Über die ganze Kulturwelt erstreckt sich das Netz der Wissenden - wer im vorigen Jahrhundert Einblick gewann in das, was sich da unsichtbar und doch vor aller Augen anbahnte, dem musste eine Katastrophe unvermeidlich erscheinen. Was wir an Gründen des Krieges und der Revolution erleben, hat hier seine tiefsten Gründe. Es konnte so kommen, weil alle Mitverschworene waren, ohne es zu ahnen. Jeder trug und trägt (!!) den Verräter, den Judas in sich. Jeder hat etwas in sich, was mit jenen Vampyren der Menschheit gemeinsame Sache machen möchte! Und jetzt geht es um die Entscheidung: Hammer oder Amboss sein! To other texts and rituals about and by Theodor Reuss Diskussionen zum Ordo Templi Orientis
Ekstatische Erzeugung von Kultur Die McDonaldisation der Okkultur Zur Geschichte des O.T.O. Fragen und Antworten zu Theodor Reuss, Rudolf Steiner und Aleister Crowley Rudolf Steiner: niemals Mitglied irgendeines O.T.O. Vorwort zu "Ecclesia Gnostica Catholica" Raumkunst, Lebenskunst, Liebeskunst David Bowie: Gnosis als Hype Carl Kellner Auswahl von Kommentaren Konzept und Interviews
Selbstdarstellung aus "Gnostika" 1, 1996 "Never Trust an Occultist". Interview in "Thing" April 1997 "Moondust will cover me". Interview in "Sigill" 15, 1997 "Nein, von diesem Lichte ess ich nicht". Interwiew in "Gnostika" Juli 1998 "Gestatten, Under-Cover Agent P.R. König" — Ein Interview für die FLENSBURGER HEFTE zum Thema "Feldzug gegen Rudolf Steiner" (eine Analyse des Vorgehens der Gebrüder Grandt) Deutsche online Bücher zum O.T.O.
Das O.T.O.-Phänomen (die vollständige Geschichte der O.T.O. Gruppen) Ein Leben für die Rose (die Biographie von Arnoldo Krumm-Heller, plus eine Analyse von Reuss', Crowleys und Krumm-Hellers Sexualmagie: Ein Vergleich mit der Fraternitas Saturni) ABRAMELIN & Co. (über Heilige Schutzengel und andere UFOs). |
mit Faksimiles von Dokumenten: A.R.W. Manfred Ach Gunta-Stölzl-Str. 9 D - 80807 München Deutschland / Germany Online-Kauf via Email Übersicht über diese Bücher. See them Scattered On The Floor while Browsing Through The Rituals
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