Ulla von Bernus
Jürgen Gisselmann
Dieter Heikaus
Hansruedi Giger
Hermann Joseph Metzger

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[AI-generiertes Image]



Der vorliegende Text weist mehrere strukturelle und inhaltliche Besonderheiten auf. So zeigt sich eine deutliche Vermischung von belegbaren Fakten, persönlichen Anekdoten und suggestiver Sprache, die es dem Leser erschwert, zwischen dokumentierter Realität und erzählerischer Überhöhung zu unterscheiden. Eine klar gegliederte Argumentationsstruktur fehlt weitgehend; stattdessen entfaltet sich eine lose Chronologie von Kontakten, Berichten von Ritualen, Skandalen und medialer Resonanz, ohne jedoch eine klare analytische Linie erkennen zu lassen.



Arbeitskreis Antares und die frühen Jahre (1971–1973)

Im Jahr 1971 gründete Oswald Schrey, auch bekannt unter dem Namen Aton, den sogenannten Arbeitskreis Antares in Berlin. Dabei handelte es sich um eine esoterische Gruppierung, die weder Teil der Fraternitas Saturni (F.S.) noch einer anderen Organisation war. Dieser AA diente der Vernetzung esoterisch Interessierter, zog jedoch bald Personen mit starkem Hang zur Selbstdarstellung an. Mitglieder wurden durch Anzeigen in der Zeitschrift ESOTERA geworben, wodurch man ungefähr 25 Anhänger gewinnen konnte. Unter ihnen befanden sich unter anderem der kurzzeitige Großmeister der F.S. Walter Jantschik und Jürgen Gisselmann, der sich den magischen Namen Merlin gab. Gisselmann zeichnete sich sofort durch großes Engagement aus und betonte wiederholt seine Beziehungen sowohl zur selbsternannten Satanspriesterin Ulla Pia von Bernus (1913–1998) als auch zur Fraternitas Saturni (Oswald Schrey, Brief vom 20.4.1993). Gisselmann galt im Arbeitskreis als äußerst aktiv und trug maßgeblich dazu bei, dass der mit einem Studium in Theologie und Pädagogik geschmückte Dieter Heikaus (Gespräch mit Heikaus, 18.4.1992), der sich den magischen Namen Phosphorus zulegte, in den Kreis aufgenommen wurde (Schrey, Brief vom 17.2.1993). Nach dem Eintritt Heikaus’ setzte sich Gisselmann dafür ein, dass dieser „als neues Triumviratsmitglied eingesetzt“ wurde. Dieses Vorgehen stieß bei Schrey auf Missfallen, da er sich übergangen fühlte. Die Spannungen führten schließlich dazu, dass sowohl Gisselmann als auch Heikaus aus dem Arbeitskreis ausgeschlossen wurden. „Alle Mitglieder distanzierten“ sich daraufhin von den beiden ("AA – Geschichte und Ziele", ohne Ort und Datum).

Die internen Konflikte und daraus resultierenden Spannungen führten im Jahr 1973 zur Auflösung des Arbeitskreis Antares. Trotz des formalen Endes der Gruppe blieben Gisselmann und Heikaus weiterhin aktiv und pflegten ihre Verbindung zueinander.

Dieter Heikaus vom „Ortsorient Bersenbrück“ der F.S. pachtete am 1.10.1979 einen größeren Bauernhof mit Umland, den er sogleich als „Weltliches Saturn-Kloster“ sowie als neues Domizil der Großloge der F.S. ausrief. Das darauffolgende Herbsttreffen mit 13 Brüdern und Schwestern geriet jedoch zum Fiasko. Heikaus wurde mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Logensekretär entbunden, woraufhin er – nun unter dem Namen Set–Horus – am 19.1.1980 einen von der F.S. unabhängigen Groß-Orient Bersenbrück der Fraternitas Saturni proklamierte. Die F.S. reagierte umgehend mit seinem rückwirkenden Ausschluss zum 12.1.1980.

In der Folge übernahm Heikaus den Namen Ordo Saturni des früheren F.S.-Meisterkreises für seinen neuen Orden, dem im Verlauf des Jahrzehnts mehrere Meister aus der F.S. beitraten – darunter auch deren 33°, Karl Wedler. Am 3.4.1989 ließ sich Heikaus von seinem eigenen Meisterkreis zum 33° wählen.



Erste Verstrickungen und magische Beziehungen (1975–1976)

Ab dem Jahr 1975 vertieften sich die okkultistischen Aktivitäten. Walter Krappatsch, der sich die Namen Hermes und Mercurius gab, wurde „Magie–Schüler des Jürgen Gisselmann/Merlin“. Gisselmann wiederum war magischer Schüler von Horst Kropp, der in der Fraternitas Saturni unter dem Namen Orpheus bekannt war und unter der persönlichen Obhut von Karl Wedler stand – dem damaligen 33° der F.S. (Quelle: Marabo, Werner Schmitz: "Der Tod des Satanspriesters", Bochum 1987, 10. Faksimile in: P.R. König, In Nomine Demiurgi Nosferati, 249–252). Kropp war zuvor bereits mit Walter Jantschik tätig gewesen und hatte sich eifrig mit der Beschwörung des Geistwesens Exorial beschäftigt.



[AI-generiertes Bild zu Horst Kropps Experimenten]



Gisselmann und Krappatsch zelebrierten einmal wöchentlich, jeweils freitags, ein sogenanntes Saturn-Ritual. Über die Jahreswende 1975/76 reisten sie nun zu Kropp nach Bad Waldsee. Dort nahmen sie an Einweihungen und Ritualen teil, deren Ziel es war, Krappatsch in den Kreis der Eingeweihten aufzunehmen. Während dieses Treffens bot Kropp GOTOS-Büsten zum Verkauf an – zum Preis von jeweils 500 DM. Zugleich nahm man sich vor, gemeinsam Materialien von Adolf Hemberger zu erwerben. Hemberger hatte sich zu dieser Zeit nicht nur durch eine beeindruckende Ansammlung von Schriften in Kleinstauflagen hervorgetan, sondern auch durch seine eifrige Teilnahme an den Intrigen und Streitigkeiten zwischen Hermann Joseph Metzgers O.T.O./Illuminaten-Orden in der Schweiz und dessen Ableger unter Walter Englert in Frankfurt – ein Beitrag, der den ohnehin schon dichten Nebel okkulter Querelen weiter anreicherte.

Hembergers ellenlange Werke boten ein wirres Panoptikum esoterischer und magisch-freimaurerischer Themen, das kaum ein Interessierter restlos durchdringen konnte. Das einzige Werk, das regulär den Weg in den Buchhandel fand, war das unter dem Pseudonym Klingsor publizierte: „Experimental-Magie“, Freiburg im Breisgau 1967. Alles Weitere erschien in einem Umfang, der wohl eher der Bibliophilie als der Leserschaft diente: „Organisationsformen, Rituale, Lehren und magische Thematik der freimaurerischen und freimaurerartigen Bünde im Deutschen Sprachraum Mitteleuropas – Der mystisch-magische Orden Fraternitas Saturni“, Frankfurt 1971; sodann die zweibändige „Philosophie der Grünen Schlange“, Giessen 1973; „Pansophie und Rosenkreuz“, drei Bände, Giessen 1974; „Documentia et Ritualia Fraternitatis Saturni“, 15 Teile in 17 Bänden ab 1971, Giessen; die Loseblattsammlung „Magia Magica“ (ohne Ort und Datum); „Erziehungsziele – Wesen, Geist und Genesis – Kösener Corps – unter besonderer Berücksichtigung der Kreise, Kartelle, Freundschafts- und Vorstellungsverhältnisse“, Giessen 1976–77; „Die adonistischen Lehrbriefe der Ateschga–Taganosyn nach Rah–Omir–Quintscher“, Gießen 1980; „U–I–E–A–O“, eine Sammlung von über 100 losen A4-Kopien ohne Ort und Datum; sowie schließlich: „Interrelationen und Verknüpfungen physiologisch-psychologischer Prozesse als Wechselspiel von Soma und Psyche bei Pferden“, Gießen 1985 – ein Ausflug in die Tierwelt, den wohl nicht einmal eingeweihte Saturnianer erwartet hätten. Ein Werk, das selbst dem sorgfältigsten Archivar mehr Rätsel als Antworten bieten dürfte. Für letzteres, das in einem zerfledderten Umschlag bei mir im Briefkasten landete, verlangte Hemberger satte 160 DM.

Im Sommer 1976 lud Kropp alias Orpheus Krappatsch zu sich nach Hause ein. Das Treffen wurde jedoch von Intrigen überschattet. Krappatsch berichtete später: „Orpheus enttäuschte mich sehr. Er wollte G. verstossen und mich zu seinem Schüler machen. G. wiederum bekam negative Informationen und Äußerungen über mich in der Korrespondenz Orpheus–Merlin. Ich sollte Opfer der Intrigen G.s und O.s werden, die sich gegenseitig bekämpften und töten wollten und mich jeweils auf ihre Seite ziehen wollten.“ (Walter Krappatsch an F.–W. Haack, Brief am 6.6.1981. Aktueller las sich das in einem Brief von Gisselmann an Krappatsch vom 21.7.1979 zum Beispiel so: "Inzwischen habe ich Nachricht von O. bekommen, er schreibt genauso, wie ich es mir gedacht habe; scheinheilig und hinterhältig. Übrigens soll ich Dich von ihm fragen, ob Du überhaupt noch lebst, Du liessest so gar nichts mehr von Dir hören!?! An dem Brief, den er mir sandte war eine recht hässliche Kreatur gebunden, die ich aber überwinden konnte. Näheres aber darüber mündlich. Ich kann Dir nur raten, sehr vorsichtig zu operieren, seit den letzten Ereignissen traue ich ihm aber auch wirklich alles zu. Mir ist jetzt noch eingefallen, wie wir ihn 'kaltstellen' können, aus diesem Grunde wäre es wichtig, wenn Du mich an diesem Samstag aufsuchen könntest, nach Möglichkeit wieder um dieselbe Zeit.! Hast Du ihm schon geschrieben? Es hat den Anschein, dass er doch IHN einschalten will, dann wird es wohl hart werden.").

In dieser Zeit intrigierte Kropp auch gegen Ulla von Bernus. Diese beschwerte sich bei ihm und zeigte sich verwundert darüber, dass „auch ihr Schützling Gisselmann schlecht über sie zu reden begonnen habe“ (Ulla von Bernus an Kropp, Brief am 4.11.1976, Ulla von Bernus an Rolf Engelbert, Brief am 26.1.977.).



Ulla von Bernus: Herkunft, Selbstinszenierung und Kontakte

Ulla von Bernus war eine in der Szene bekannte Persönlichkeit, nicht zuletzt wegen ihres skurrilen Erscheinungsbildes. Sie war die Tochter des Anthroposophen und Schriftstellers Alexander von Bernus. Angeblich wurde sie im Jahr 1913 von Rudolf Steiner in einem taufähnlichen Akt getauft (Sie selber hat diese Behauptung niemals aufgestellt und wies darauf hin, dass sie noch gar nicht geboren war, als Steiner am 30.3.1925 starb. Quellen zufolge ist Frau Bernus jedoch 1913 geboren. Frau von Bernus anderslautende Behauptung in "Flensburger Hefte" 33, Flensburg 1991, 161: "Selbstverständlich hat Rudolf Steiner mich nicht getauft."). Sie war Schülerin der ersten Waldorfschule in Stuttgart (Uhlandshöhe).

Von Bernus bezeichnete sich selbst als „Satanspriesterin“, was „natürlich nicht ohne Folgen und Gefolgschaft blieb“. Ihre Rolle in der esoterischen und okkulten Szene wurde dadurch maßgeblich geprägt. Ihre Vergangenheit im Umfeld der Anthroposophie wirft bis heute lange Schatten und ihr Name bleibt ein wunder Punkt unter jenen Steinerianern, die um diese Verbindung wissen.



Ulla von Bernus, Anata




Das Intermezzo mit Hansruedi Giger (1977)

Im Jahr 1977 kontaktierte Frau von Bernus den späteren Oscar-Preisträger und Schöpfer des legendären Alien-Designs, Hansruedi Giger. Sie forderte ihn mit der Überzeugung einer erfahrenen Okkultistin auf, gemeinsam mit ihr und einer Freundin nach Stein zu fahren, um dort eine Nacht zu verbringen. Giger erklärte später, dass er „bis anhin nichts von der Abtei Thelema in Stein gewusst“ habe (Gespräch am 19.08.1986) – eine Aussage, die angesichts seiner Biografie und seines künstlerischen Œuvres ein wenig erstaunen mag. Schließlich war Giger in Chur aufgewachsen, nur einen Steinwurf vom Dorf Stein im Appenzell entfernt, wo der Schweizer O.T.O. seinen Sitz hatte. Zudem wimmelte es in seinen frühen Werken bereits von okkulten Symbolen und Gestalten – darunter auch Baphomet, eine Projektionsfigur magischer Traditionen und des O.T.O., die längst seine Bildwelten bevölkerte. Giger verwendete Baphomet nämlich erstmals 1974 in seinem Werk „Baphomet“ (Nr. 272), gefolgt von „Spell III“ (1976). Beide erschienen 1977 im Bildband Necronomicon.

Frau von Bernus soll der Meinung gewesen sein, dass „man dort draus komme“, und äußerte mit missionarischem Eifer die Absicht, dort „eine Menge magischer Rituale zu zelebrieren“.

Vor Ort angelangt, begann Giger in der Bibliothek nach originalen Crowley-Zeichnungen zu suchen – vergeblich. Stattdessen erbeutete er „eine Flasche Schwedisches Lebenselixier und einen Buchumschlag Gustav Meyrinks“, wobei letzterer verloren ging, „was ihm sehr peinlich gewesen sei“. Für seine Übernachtung in Stein musste Giger selbstverständlich selbst aufkommen.

Nach diesem denkwürdigen Aufenthalt waren von Bernus und Giger noch bei Oscar Schlag zu Gast, der beide „sehr beeindruckt habe“. Giger resümierte später diplomatisch, dass Fräulein Äschbach und Metzger „sehr nett und harmlos“ gewesen seien und der Kultraum ihn „an Appenzeller Folklore erinnert habe“. Über den O.T.O. urteilte er jedoch trocken: „Unter O.T.O. stelle er sich jedoch etwas anderes vor“. Sein Fazit fiel schließlich ebenso eindeutig wie ernüchtert aus: „Er möchte weder mit Frau von Bernus noch mit Stein je wieder etwas zu tun haben, das sei ihm doch zu komisch und zu heavy.“

Frau von Bernus wiederum bezeichnete Metzger als „mausgrauen Magier“ (Gespräch vom 13.05.1990) und berichtete mit unverhohlener Genugtuung über für sie bemerkenswerte Vorkommnisse: Am Samstagabend habe „ein Besäufnis mit Messwein, dem besten“ stattgefunden, „was die Weiber nervös gemacht habe“. Frau Borgert und Fräulein Äschbach seien „hysterisch eifersüchtig“ auf sie gewesen – für Frau Bernus ein Drama ganz eigener okkulter Note.

Im Gästezimmer habe sie mit ihrer Freundin „nur wenig gesprochen“, da sie „wusste, dass da überall [Abhör]Wanzen gewesen seien“. In der Nacht habe sie „ein Bohren am Schlüsselloch gehört“. Metzger habe „rein!“ gewollt – „vergeblich“.

Der Sonntagmorgen hielt weitere Kuriositäten für sie bereit: Bei der Gnostisch-Katholischen Messe assistierte „als Messbube ein 72-jähriger Opa“, dessen Messgewänder noch mit „Gartenlehm beschmiert“ gewesen seien. Auffällig seien für von Bernus aber vor allem die „Papiertaschentücher auf der vordersten Kirchenbank“ gewesen. An einer Textstelle der Messe, an der eine Frau knien sollte, habe Metzger „plötzlich den Text nicht mehr weiter gewusst“ und verzweifelt gefragt: „Wo ist meine Brille?“ Diese blieb jedoch unauffindbar, und Metzger habe die Messe „nur noch runtergestottert“. Die Taschentücher, so mutmaßte Frau von Bernus, dienten wohl „zur Brillenreinigung“.
Schließlich entdeckte von Bernus die vermisste Brille „am Boden neben ihrer Zimmertür“, wo Metzger angeblich „nachts gekniet“ haben soll. Sie reichte ihm das gute Stück beim gemeinsamen Mittagessen zurück – „was sie köstlich amüsiert habe“.



Der Club Belphegor und Gisselmanns Abstieg (1976–1979)

Jürgen Gisselmann alias Merlin strebte nach eigener Darstellung danach, „den Satanismus gesellschaftsfähig zu machen“ (Ein Auszug der Korrespondenzen zwischen Krappatsch, Gisselmann und weiteren Personen in: König, Nosferati, 184–206). Zu diesem Zweck gründete er den Club Belphegor, der öffentlich mit dem Lockbegriff „Schwarze Messen ... Wie? Wann? Wo?“ warb. Hinter diesem Inserat verbarg sich der sogenannte Ordo Orienti Satani.

Gisselmann lehnte sich stark an die Schriften von Johannes Göggelmann/Saturnius an. Er schrieb gleichzeitig für den Stadtanzeiger 'Marabo' für Bochum und Umgebung sowie für den Playboy. Es gab sogar Überlegungen, ihn für ein mögliches Fernsehinterview mit Alfred Biolek im WDR zu gewinnen.


Ulla von Bernus und Jürgen Gisselmann
Ulla von Bernus und Jürgen Gisselmann
[AI-generierte Variation nach einer Fotografie]



Gisselmann war zu dieser Zeit eng mit Ulla von Bernus verbunden und posierte gemeinsam mit ihr für die Zeitschrift HÖRZU. Allerdings war er „noch zu jung, um Fraternitas Saturni–Mitglied zu werden“ und kam daher „unter die persönlichen Fittiche von Karl Wedler“. Die Freundschaft zwischen von Bernus (Anata) und Merlin begann allerdings zu bröckeln, als Gisselmann „den UFO-Glauben Anatas’ zu zerpflücken begann“.

Der Club Belphegor wurde auch gegründet, um Frau von Bernus Konkurrenz zu machen. Doch schon bald litt Gisselmann zunehmend unter der Angst vor „schwarzmagischer Verfolgung“. In diesem magisch aufgepeitschten Kreis spielte ein sogenanntes Satansband eine Rolle – eine Audioaufnahme, nach deren Anhörung Krappatsch „in die Hose geschissen“ habe. (Rolf Engelbert an Ulla von Bernus, Brief vom 20.1.1977). Möglicherweise war es eine vergleichbare Angst, die Gisselmann in die Verzweiflung trieb – und ihn dazu brachte, sich am 2. Oktober 1979, im Alter von nur 25 Jahren, das Leben zu nehmen.



Literarische Verarbeitung und Skandalisierung

Der Selbstmord Gisselmanns wurde von Werner Schmitz, der fürs Marabo tätig war, literarisch aufgegriffen und in einem semi-fiktionalen Kriminalroman verarbeitet. Schmitz entwickelte mit Informationen, die er sogar von Dieter Heikaus erhalten haben soll, „eine Art jugendlicher Abenteuerkrimi Auf Teufel komm raus“ (Köln 1987, z.T. inspiriert von Horst Knaut: Rückkehr aus der Zukunft, München 1970, 90.)

Werner Schmitz - Auf Teufel komm raus - GOTOS

Auf Teufel komm raus und Interview für die Braille-Version.


Die im Roman auftretenden Personen waren reale Akteure der Szene, die nur mit Decknamen versehen wurden:



Nach Erscheinen des Buches 1987 wurden Flugblätter an Wedlers Wohnort verteilt, „in denen dieser mit bürgerlichem Namen erwähnt und sogar mit einem Photo gezeigt war“ (Gespräch mit Heikaus am 2.10.1988). Heikaus reagierte darauf „entrüstet“.



Der große Medientrubel um Ulla von Bernus (1984)

Am 17. September 1984 strahlte das ZDF um 19:30 Uhr in der Reihe Reportage am Montag eine Sendung aus mit dem Titel: „Ich töte, wenn Satan es befiehlt ...“. Thema waren die Geschäfte von „Satanspriestern“ und deren „Schwarze Messen“. Die ZDF-Journalisten konnten einem „vor laufender Kamera abgehaltenen Todesritual“ beiwohnen. Dabei zeigte man Ulla von Bernus, wie sie über einer Flamme eine wächserne Puppe sowie ein Foto des Todeskandidaten – beide auf ein Schwert gespießt – hin- und herschwenkte und im Namen Satans den langsamen Tod des Betreffenden beschwor.




Ulla von Bernus, 17. September 1984, ZDF, Reportage am Montag, Ich töte, wenn Satan es befiehlt



Die Medienlandschaft reagiert zuverlässig auf ritualhafte Requisiten und suggestive Narrative – als wäre ihre Wirkung eingebaut. Begriffe wie „Satansmesse“, „magische Rituale“ oder „okkulte Szene“ zirkulieren in boulevardesken Kontexten als semantische Platzhalter: aufgeladen, aber unbelegt; markant, aber begrifflich unterdefiniert. Düster, bedeutungsschwer, aber definitionsfrei. Präzisierung stört da nur die Dramaturgie.




[AI-generiertes Image]



Die HÖRZU begleitete die Reportage mit der Frage: „Hexen in Deutschland – Können sie auf Bestellung töten?“ und beschrieb von Bernus als „Satanspriesterin, bei ihrer täglichen Arbeit: 'Satan, hole ihn, lass ihn langsam sterben', fleht Ulla, die Hexe.“ (HÖRZU Nr. 27/1984)

Von Bernus gab in diesem Boulevardblatt auch ihre Tarife bekannt: „3.000 DM pro magische Ferntötung“ (HÖRZU Nr. 27/1984. Im Eso-Magazin Unicorn sucht daraufhin ein Inserent »Kontakt zu schwarzmagischem Zirkel«, speziell dem in der Reportage namentlich genannten Wolfgang Ullman, Unicorn IX, Bonn Dezember 1984, S.255).





Diese Angaben lösten eine Welle der Empörung in Deutschland aus und führten zu verschiedenen Talkshow-Auftritten von Ulla von Bernus, bei denen sie manchmal mit Gummiskeletten vor der Kamera herumwedelte – ein Requisit, das sie offenbar ebenso liebte wie das Spiel mit der öffentlichen Empörung. Ihre Stimme, tief und grollend, schien dabei weniger einem natürlichen Sprechorgan zu entspringen als vielmehr dem bewussten Willen zur Inszenierung: ein Timbre, das verdächtig stark an durchzechte Whiskey-Nächte erinnerte – und wohl genau so gemeint war. So grollte sie sich durch die Sendungen, ihre Worte schwer und beschwörend, und bediente damit ihr dankbares Auditorium.


Ulla von Bernus



Ihre Wirkungsmacht wurde durch journalistische Skandalisierung überhöht – sie erscheint im Rückblick weniger als charismatische Anführerin eines größeren Kults denn als Solo-Performerin, deren inszenierte Aura von der Sensationslust der Medien verstärkt wurde.

Während sie sich als spirituelle Autorität inszenierte, wurde sie gleichzeitig zur Figur öffentlicher Moralisierung und zur Projektionsfläche für Ängste vor „schwarzer Magie“. Im Fahrwasser der von Bernus bewegte sich mit Ela Hard eine weitere Autorin, welche nach eigenen Angaben die Kunst des »magischen Tötens« von einem australischen Aborigine erlernte, der diese Gabe wiederum von seinem Großvater, einem Medizin-mann, geerbte habe. In Die Kunst des magischen Tötens (Nürnberg 1983), erfährt der Leser welche Hilfsmittel benötigt werden: eine Wachspuppe, Zauberformeln und Telepathie.



Juristische Aufarbeitung und Urteil des Landgerichts Kassel (1984)

Nach der medialen Skandalisierung kam es zu juristischen Auseinandersetzungen. Pfarrer Adolf Sommerauer brachte Ulla von Bernus in einem konkreten Fall vor Gericht. Der Vorwurf betraf ihre magischen Praktiken.


Adolf Sommerauer gegen Ulla von Bernus



Doch die Staatsanwaltschaft wertete das Geschehen als „strafloses Wahndelikt“ (Materialdienst 12, Stuttgart 1984, 377–79.), so dass es nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung kam.

»Da die von der Beklagten behaupteten magischen Kräfte nicht existieren, mithin die Beschuldigte den Freund der Klägerin nicht durch magische Kräfte zu einer Rückkehr veranlassen konnte, ist die von der Beklagten geschuldete Leistung objektiv unmöglich. [...] So hat die von der Beklagten in der Öffentlichkeit aufgestellte Behauptung, sie habe auch schon Personen totgehext, nicht etwa zu einer Beunruhigung in der Bevölkerung geführt, weil niemand ernstlich an die magischen Kräfte der Beklagten glaubt.« (LG Kassel, aaO S. 4)

Allerdings musste von Bernus in einem Zivilverfahren die Folgen ihres Handelns tragen. Das Landgericht Kassel verurteilte sie am 20. Dezember 1984 in zweiter Instanz dazu, „3.000 DM nebst Zinsen“ an eine Klägerin zurückzuzahlen. Grund war ein Vertrag, den die Klägerin mit von Bernus geschlossen hatte: Von Bernus hatte sich gegen diese Zahlung zur „mentalen Beeinflussung“ des Freundes der Klägerin verpflichtet, um diesen dazu zu bringen, zur Klägerin zurückzukehren.

Das Gericht urteilte, dass die von Bernus behaupteten magischen Kräfte „objektiv unmöglich“ seien, und verpflichtete sie zur Rückzahlung des Honorars sowie zur Übernahme der Prozesskosten.



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Späte Aussagen und Legendenbildung

Laut verschiedenen Quellen soll Patrick Wolther, der Sohn von Guido Wolther, magischer Schüler von Ulla von Bernus gewesen sein. Von Bernus stritt dies jedoch ab (Gespräch am 13.5.1990). Spät in ihrem Leben wandte sich von Bernus angeblich einem okkult gefärbten Christentum zu. In einem Interview berichtete sie von einer Hinwendung zu Christus und sprach sich gegen schwarzmagische Praktiken aus, die sie zuvor ausgeübt hatte.

Frau von Bernus verstarb 1998. Postum geriet sie erneut in die Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass sie in Rotenburg an der Fulda in unmittelbarer Nachbarschaft des als "Kannibale von Rotenburg" bekannt gewordenen Armin Meiwes gewohnt und mit dessen Mutter befreundet gewesen war – Meiwes hatte 2001 einen Mann getötet und teilweise verspeist, was ihm 2006 zu einer lebenslangen Haftstrafe wegen Mordes verhalf. Ihre Bekanntschaft mit Meiwes’ Mutter wurde im Nachhinein sensationslüstern kommentiert.

Der Selbstmord von Jürgen Gisselmann 1979, der Skandal um die HÖRZU- und ZDF-Reportagen sowie die gerichtlichen Verfahren wirkten lange nach.



Der Ordo Saturni und der Skandal um 1987/88

Nach dem Selbstmord Jürgen Gisselmanns bemühte sich Dieter Heikaus (Großmeister des Ordo Saturni) vergeblich um das Ordensarchiv seines verstorbenen Weggefährten. Die Mutter Gisselmanns hatte jedoch fast alle Unterlagen nach dem Tod ihres Sohnes vernichtet (Marabo, Frühjahr 1987, S. 12).

Im selben Jahr, 1987, als der Abenteuerkrimi Auf Teufel komm raus von Werner Schmitz erschien, tauchten an der Hauptschule in Quakenbrück Werbeschriften des Ordo Saturni auf. Dies rief erhebliche öffentliche Empörung hervor: Eltern drohten mit einem Schulstreik, während die Boulevardpresse erneut vor den Gefahren solcher okkulten Bewegungen warnte (QUICK 6. und 18.04.1988; BILD 30.04.1988; Heim und Welt 21.07.1988). Auch kirchliche Publikationen griffen das Thema auf, druckten Saturn-Insignien ab und warnten vor den vermeintlichen Gefahren (Kirchenbote 11, Osnabrück, 13.03.1988, S. 3).

In einem Brief vom 18.03.1988 berichtete Heikaus über die Zuspitzung der Lage: „In unserer Gegend ist augenblicklich der Teufel los. Die Kirchen blasen zum Angriff, Kripo und Staatsanwaltschaft sind eingeschaltet. Ein Freitod in der Umgebung wird mit uns in Verbindung gebracht.“ In Folge dieser Entwicklungen wurde Heikaus im März 1988 seines Schulamtes enthoben. Zwischen Anwälten, Boulevardblättern und dem Bischöflichen Generalvikariat Osnabrück wurden zahlreiche Schreiben gewechselt, in denen Heikaus seinen Standpunkt darlegte.







QUICK berichtete 1988 insbesondere über angebliche schwarze Messen des Ordo Saturni und bezog sich dabei auf Aussagen von Sektenbeauftragten und Pfarrern. Diese Berichterstattung führte zu juristischen Auseinandersetzungen zwischen dem Ordo Saturni, den Kirchen und der QUICK. Das Bischöfliche Generalvikariat Osnabrück wies in einem Schreiben vom 19.04.1988 an die Rechtsanwälte des Ordo Saturni darauf hin: „Ich habe Ihnen mitzuteilen, daß die Herrn Schwack von der Illustrierten Quick zugeschriebenen Äußerungen nicht von ihm stammen [...] Herr Schwack hat gegenüber der Illustrierten Quick deutlich gemacht, daß er Anfragen, ob solche Aktivitäten tatsächlich stattgefunden haben, abschlägig beschieden hat.“ Auch der katholische Seelsorger Pastor Anton Behrens sah sich gezwungen, anwaltlich gegen untergeschobene Zitate vorzugehen. In einem Schreiben der Rechtsanwälte Börgen & Schwangel (Bramsche, 21.04.1988) wurde klargestellt: „[...] und teile Ihnen nochmals mit, daß die Äußerungen des Herrn Pastor Behrens, wie sie in der Quick veröffentlicht worden sind, in dieser Form nicht gemacht wurden.“ Bereits am 18.04.1988 hatte Pastor Behrens gegenüber der QUICK eine Richtigstellung verlangt: „Ich habe über Ordo Saturni überhaupt keine Aussage gemacht, solche sogar auf Befragung des Herrn Lützenkirchen von der Quick ausdrücklich verweigert. Die mir in den Mund gelegten Aussagen habe ich als Gerüchte bezeichnet, die selbst okkultistischen Charakter hätten.“

Wie die Ermittlungsbehörden schließlich der Presse mitteilten, hatten sich die Vorwürfe der Verbreitung jugendgefährdender Schriften, Filme und neonationalsozialistischen Gedankenguts als haltlos erwiesen (Neue Osnabrücker Zeitung, 19.03.1988, S. 23). Faksimiles der zentralen Dokumente zum Skandal finden sich in König, Nosferati, S. 184–206, 249–254, 260–268.


© P.-R. König, Juli 2025



Kontext

Peter-R. Koenig: Der O.T.O. Phänomen RELOAD.
Die Fraternitas Saturni.
P.R. König und Andreas Huettl: Satan — Jünger, Jäger und Justiz.







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