Die ideologische Funktion der baphometischen Doxologie
nach Walter Jantschik
Ein essayistisch-analytischer Traktat von P.R. König
[AI-generiertes Bild nach Motiven aus Jantschiks Schriften.
Gilt für alle diesem Traktat beigefügten Visualisierungen.]
Walter Jantschiks Baphometische Doxologie ist kein gewöhnliches esoterisches Kompendium, sondern ein Schriftenkomplex, der eine geschlossene Weltinterpretation konstruiert. Durch die Verbindung von gnostischer Mystik, magischer Ritualtechnik und technoider Sprache simuliert Jantschik ein Wissenssystem, das nach eigenem Anspruch sämtliche metaphysischen, spirituellen und energetischen Ebenen des Universums durchdringt und kontrolliert.
Sein System ist dabei nicht nur spekulativ, sondern operativ: In seinen Briefen, Artikeln, Skizzen und Selbstdeutungen beschreibt er die baphometische Doxologie als "ontologisch-erkenntnistheoretische Evolution von eminenter großer Bedeutung" und als metaphysisches Betriebssystem eines interdimensionalen Kultes. In diesem Kontext ist Jantschiks Werk sowohl als ideologischer Totalentwurf wie auch als ästhetisch-experimentelle Gegenkosmologie zu lesen.
Dieser Essay verfolgt die ideologische Funktion dieses Systems, analysiert zentrale Begriffe als Chiffren eines alles durchdringenden Wirklichkeitsentwurfs und deutet die Selbstabsolutierung im Text als Ausdruck einer esoterisch codierten weltumfassenden Utopie.
Anmerkung: Um die Lesbarkeit nicht vollends zu opfern, wurde auf eine durchgehende Kursivierung und Gänsefüßchen-Orgie bei Jantschiks Neologismen großzügig verzichtet. Dass dadurch streckenweise der Eindruck entstehen könnte, der Traktat sei von ihm selbst verfasst, ist ein kleiner aperçu – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Jantschik, Baphomet und das esoterische Schreiben
- Die Selbstabsolutierung des Systems: Der Ordo Baphometis als ontologisches Zentrum
- Das Sprachregime: Die Magie der Begriffe als Disziplinarinstrument
- Interdimensionale Elemente der Doxologie und die baphometischen Grundkräfte
- Diagrammatik, Symbolstruktur und rituelle Semiotik bei Jantschik
- Sexualmagie, XI°-O.T.O. und gnostischer Polyzentrismus
- Ritualästhetik und Bildpolitik des Baphometismus
- Tempelstruktur und ordoide Organisation des OB
- Baphmalla – Mythopoesis und ideologische Zentralinstanz
- Der Baphometismus als dispositiver Wirklichkeitsentwurf – Eine foucaultsche Analyse
- Sonderlehren: NOX, LVX, YESOD, HGA-Kritik
- Synthese einiger Briefe an P.R. König (1987–1990): Kommentar und thematische Analyse
- Hyparche und BAFMACA – Begriffe als ideologische Operatoren
- Ist Jantschiks baphometische Doxologie eine Form der Gnosis?
- Der Baphometor zwischen Christusformel und corps sans organes: Theologische und schizoanalytische Resonanzen
- Fazit: Baphometische Doxologie als ideologisches System totaler Selbstreferenz
- Vergleich: Johannes Maikowski und Walter Jantschik
I. Einleitung: Jantschik, Baphomet und das esoterische Schreiben
Walter Jantschik, der in seiner Korrespondenz mit "Perka" (P.R.K. = P.-R. König) als "Levum" oder "Frater'.'CIT'.'" unterzeichnet, konstruiert mit dem "Ordo Baphometis" (OB) eine eigensinnige, von gnostisch-magischer, pseudo-alchemistischer Terminologie geprägte Gegenwelt. Sein Denken kreist um einen zentralen Begriff: die "baphometische Doxologie", die als trans-universale, magisch-rituelle Wissenschaft der Anrufung und Transformation verstanden wird. Jantschiks Schreiben ist mehr als nur esoterische Spekulation – es ist performative Metaphysik im Modus der Briefliteratur. Teile seiner Texte erschienen später, auch auf meine Initiative hin, als mehrteilige Artikelserie in einschlägigen Magazinen – eine Ausweitung des diskursiven Raums, die seine schriftliche Weltbildung von der privaten Korrespondenz in eine halböffentliche Ritualpublizistik überführte.
Metaebene: Beobachter im Spiegelkabinett
Die Analyse der baphometischen Doxologie und ihrer Urheberfigur Jantschik bewegt sich im Spannungsfeld zwischen kritischer Außenperspektive und notwendiger Nähe. Meine Rolle entspricht der eines ethnopsychologischen Feldforschers im Milieu des zeitgenössischen Okkultismus: Ich habe das System von innen betreten, seine Sprache, Symbole und Logiken in situ studiert – nicht um daran zu glauben, sondern um zu verstehen, wie es funktioniert.
Zitat Jantschik: "Leider, nur wenige Brüder und Schwestern sind soweit in diese gnostisch-kabbalistische Materie vorgedrungen wie Du."
Der Beobachter im Spiegelkabinett bleibt sichtbar. Doch gerade diese Sichtbarkeit ermöglicht es, das Reflexionsniveau der Analyse selbst zum Teil des Untersuchungsgegenstands zu machen: Es geht hier nicht nur um Jantschik, sondern auch um die Frage, wie sich esoterische Systeme beschreiben lassen, ohne ihnen zu verfallen – und wie man den Baphometor erkennt und benennt, ohne selbst einer zu werden.
II. Die Selbstabsolutierung des Systems: Der Ordo Baphometis als ontologisches Zentrum
Von Beginn an vermitteln Jantschiks Texte eine in sich geschlossene Binnenwelt, deren Strukturen sich ausschließlich auf sich selbst beziehen. Der Ordo Baphometis (OB) wird nicht als historisch gewachsener Orden oder soziale Institution eingeführt, sondern als metaphysisches Wesen mit multidimensionaler Präsenz. Er ist zugleich irdischer Geheimbund und ontologisch verankerter Weltgestalter innerhalb des „negativen Quadranten“ des Kosmos. Seine Mitglieder sind nicht nur Eingeweihte, sondern interdimensionale Operatoren, ausgestattet mit dem Zugang zu einem absoluten Urlicht namens BAFMACA.
Hier wird das ideologische Grundmuster deutlich: Die Realität wird in ein mythisch-technologisches Modell übersetzt, das nur innerhalb des Systems selbst verständlich ist. Der OB erscheint dabei nicht als Teil einer Welt, sondern als deren geheime Steuerarchitektur:
- unter der Welt – im Sinne eines verborgenen Ursprungs oder einer Grundstruktur,
- über ihr – als regulierende, transzendente Instanz,
- und durchdringt sie zugleich – als alles verbindende Tiefenstruktur,
um sämtliche sichtbaren und unsichtbaren Ebenen des Seins zu kontrollieren.
Diese ontologische Selbstüberhöhung verfolgt ein klares Ziel: die Unangreifbarkeit des Systems und die Delegitimierung aller alternativen Weltzugänge. Es ist ein okkultes System der Totalität, das nicht mehr in Dialog mit äußeren Realitäten tritt, sondern diese in seine Terminologie absorbiert.
III. Das Sprachregime: Die Magie der Begriffe als Disziplinarinstrument
Ein zentrales ideologisches Werkzeug der Texte sind ihre Sprache. Es handelt sich nicht um klassisches esoterisches Vokabular, sondern um ein hypertrophes Lexikon aus Neologismen, technischer Terminologie, pseudomathematischen Formeln und hermetischen Vokabeln, die Realität gleichzeitig verschlüsseln und umcodieren. Begriffe wie „BA[+–]“, „phallisch-solare Meta-Tabulatoren“, „gnostisch-determinative e-Photonen“ oder „transzendental-objektiv-synchronistische Nirvanaität“ sind nicht nur unverständlich – sie erfüllen eine präzise Funktion: Sie entmündigen den Leser.
Man kann die Aussagen nicht prüfen, ohne bereits initiiert zu sein, und wer sie akzeptiert, muss sich der Sprache des Systems unterwerfen. Sprache wird so zum Disziplinarinstrument: Wer spricht, spricht im Namen des Systems, und wer es verstehen will, muss sich kognitiv umstrukturieren. Die baphometische Doxologie ist auch Sprachpolitik: Ihre Funktion ist die Etablierung epistemischer Hegemonie. Was außerhalb dieser Sprache liegt, wird entweder als irrelevant oder als unverständlich erklärt.
Viele Begriffe operieren tautologisch. Die Hyparche etwa wird als „Anti-Raum der Krümmungseinheit Psi“ definiert – eine Bestimmung ohne realen Referenten, die nur den Anschein von Präzision erzeugt. Es entsteht ein semantischer Nebel, der die Autorität des Sprechers absichert. Wer so spricht, beansprucht Zugang zu einer höheren Ebene – eine klassische Strategie esoterischer Selbstermächtigung.
[AI-generiertes Bild nach Motiven aus Jantschiks Schriften.
Kartoffelsalat mit Würstchen: stets serviert bei meinen Besuchen.]
W. Jantschik, Brief vom 07.03., EB., III (1989)
IV. Interdimensionale Elemente der Doxologie und die baphometischen Grundkräfte
Jantschiks baphometische Doxologie beruht laut eigenen Aussagen auf vier interdimensionalen Elementen:
- Das baphometische Element: „Element der kosmischen Neugestaltung, der Transformation und Transzendierung“, bevorzugt manifest im Sichtbaren.
- Das hyperdimensionale Element: Der Raum, in dem Raum und Zeit kollabieren oder sich gegenseitig aufheben.
- Das ultradimensionale Element: Saturnisch gefärbt, verbunden mit der Unterwelt und ihren Genien.
- Das bafmascaische Element (BAFMACA): die universale, neutrale Substanz, die durch Meditation beherrscht werden kann.
Im Zentrum steht die operative Differenzierung zweier Grundkräfte:
- BA: positive, durchlichtende Kraft
- FO: negative, absorbierende Kraft
Diese Kräfte sind skalierbar, mathematisch fassbar und wirken auf rituelle Felder:
d2Ψ = BA2 = 2BA = BA
d2Φ = FO2 = 2FO = FO
Derartige Pseudomathematik dient nicht nur als rhetorische Strategie, sondern untermauert den Anspruch, eine präzise Kosmologie magisch-energetischer Ordnung zu etablieren. Die Lehre unterscheidet klar zwischen Mikro- und Makro-Doxologie: Erstere bezeichnet die rituelle Anrufung mikrophaler Gottheiten im schwarzen Kontinuum, letztere die spektro-sektoriale Projektion auf kosmische Sphärenwesenheiten.
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V. Diagrammatik, Symbolstruktur und rituelle Semiotik bei Jantschik
Jantschiks handschriftliche Skizzen, überliefert in Briefen ab 1987 an mich, zeigen die visuelle Binnenlogik baphometischen Denkens. Die Seiten enthalten schematische Formeln, magische Operatoren und kombinatorische Assoziationen von NOX und LVX, zentrale Begriffe westlicher Ritualmagie. Bei Jantschik werden sie jedoch nicht bloß zitiert, sondern in pseudomathematische Dialektik überführt. Das Verhältnis von Licht und Dunkel wird nicht einfach postuliert – es wird numerisch berechnet.
Formeln wie „(–1) + (+1) = 0“ erscheinen trivial – die Nullsumme polarer Kräfte. Doch im Kontext baphometischer Doxologie werden sie zu ideologischen Behauptungen kosmischer Ausgewogenheit, eingebettet in ein Schema, das mathematische Stringenz simuliert.
Diese Formalisierung dient der Kontrolle. Sie delegitimiert spontane Spiritualität und ersetzt sie durch kodifiziertes, diszipliniertes Ritualverhalten. Das Diagramm ersetzt das Dogma – nur um die Kontrolle subtiler zu gestalten. Wer das Diagramm betritt, unterwirft sich einer Syntax, die keine Interpretation zulässt – nur Ausführung.
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VI. Sexualmagie, XI°-O.T.O. und gnostischer Polyzentrismus
Ein zentrales Thema der Briefe ist die Sexualmagie, häufig im Kontext des XI°-Grades des O.T.O. erwähnt. Bemerkenswert am Rande: Baph! – das Geheimwort des sexualmagischen Grades der Fraternitas Saturni – lässt sich hier als interner Verweis auf ein vertrautes Motiv lesen. Der 18° der F.S. schließlich führt jene „Geheimnisse“ ein, die in verschiedenen okkulten Orden und Systemen unter großem Anspruch gehandelt werden.
Jantschik unterscheidet zwischen einem männlichen und einem weiblichen XI°, letzteres insbesondere bezogen auf den Austausch von Lebenskräften durch sexuelle Akte. Die Formel „OAV = Oral – anal – vaginal“ steht für ein energetisches Kontinuum, dessen Ziel nicht sexuelle Befriedigung, sondern die Hervorbringung der „Baphometischen Aura“ ist – ein subtiler energetischer Zustand, der durch die Magier erzeugt und übertragen werden kann.
Im Orgasmus verdichtet sich laut Jantschik der „bipolare Stab der Kraft“, und die „Umpolung der zentralen Kräfte [...] führt zur Scintilla der baphometischen Alchimisten“. Diese Symbolik verleiht der Sexualmagie eine transformative, alchemistische Funktion, die Körper und Kosmos in ein ideologisches Kraftfeld überführt. Sie ist weder bloß körperlich noch nur symbolisch – sie operiert an der Schnittstelle von Energie, Mythos und esoterischer Codierung.
VII. Ritualästhetik und Bildpolitik des Baphometismus
Die Ästhetik der baphometischen Doxologie ist nicht bloß Ornament, sondern zentrales Element in der ideologischen Konstruktion von Wirklichkeit. Symbolstrukturen – vom Baphomet-Siegel über das sogenannte „Aleph-Kontinuum“ bis zur Bildwelt des „Kristalltempels Baphmalla“ – entfalten eine visuelle Semiotik, die das Subjekt umhüllt und psychologisch kolonisiert.
Im Zusammenspiel von psychedelisch wirkender Abstraktion (Jantschik war Mitglied der Gruppen von Michael Paul Bertiaux), saturnischer Geometrie (Albin Grau) und technoider Diagrammatik (Jantschik) entsteht ein neues Regime des Bildes: Visualisierung ersetzt diskursive Logik. Diagramme, Glyphen, okkulte Karten und Energiebilder fungieren als sakrale Interfaces – sie stellen die Welt nicht dar; sie sind sie.
Diese Bildlichkeit fungiert als Evidenzmaschine. Wer die Glyphen erkennt, hat Zugang; wer sie nicht erkennt, bleibt ausgeschlossen. Ästhetik wird hier zum Herrschaftssiegel: sichtbar, abgeschlossen, affirmativ.
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VIII. Tempelstruktur und ordoide Organisation des OB
Jantschiks Ordo Baphometis wird in seinen Texten als „polyphoner Orden mit multidimensionalen Verbindungen“ beschrieben. Die Struktur des OB ist keine bloße Organisationsform, sondern eine sakrale Architektur, die nach den Gesetzen der Doxologie formiert ist. Besonders hervorgehoben ist der „Tempelraum der Anbetung“, in dem durch rituelle Permutationen neue Dimensionen aktiviert werden.
Diese Tempelstruktur folgt nicht architektonischen, sondern energetisch-topologischen Gesetzen. Zentrale Begriffe sind:
- Doxologisches Sanktuar
- Topologisch-pneumatische Quanten
- Baphometisches Lichtfeld
Der wahre Baph-Tempel ist somit kein Ort, sondern ein Aggregatzustand aus Licht und Konzentration. Er wirkt als rituelles Interface, in dem sich kosmische Energien durch geometrisch strukturierte Performanz kanalisieren. Die ordoide Organisation des OB ist damit weder historisch noch institutionell zu verstehen, sondern als metaphysische Dispositivstruktur.
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IX. Baphmalla – Mythopoesis und ideologische Zentralinstanz
Der Begriff Baphmalla fungiert als ideologisches Zentrum, als mythisch aufgeladener Brennpunkt im imaginierten Raum des Ordo Baphometis. In den publizierten Texten, wie auch in den Briefen Jantschiks, erscheint Baphmalla als kugelförmiger Kristalltempel aus violettem Licht, als energetischer Mittelpunkt des baphometischen Raumes. Es wird gleichsam als caput sanctum eines metaphysischen Netzwerkes dargestellt – eine Art sakraler Serverraum, von dem aus die Ströme des „BAFMACA“-Lichts gelenkt werden.
In dieser mythisch-astralen Architektur kulminiert die baphometische Doxologie: Baphmalla ist keine bloße Allegorie, sondern ein operativer Begriff, der sowohl kosmologische als auch rituelle Funktionen erfüllt. Baphmalla ist Zielpunkt und Quelle aller rituellen Influxionen. Es ist kein statisches Symbol, sondern eine sich selbst energetisch erneuernde Matrix, in der sich das System auf sich selbst zurückbezieht und die transzendente Topologie des OB verkörpert.
Diese ideologische Fiktion dient dabei gleich mehreren Zwecken:
- Sie erzeugt einen imaginären Ort absoluter Reinheit und Wahrheit, dem sich der Adept annähern muss.
- Sie fungiert als regulative Idee, die das gesamte rituelle Handeln strukturierend überhöht.
- Sie immunisiert das System gegen Kritik – denn wer den Tempel nicht sieht oder nicht fühlt, dem fehlt die „Erkenntnis“.
In den Briefen an mich wird Baphmalla immer wieder mit Jantschiks eigener Position als „Baphometor“ verknüpft – als derjenige, der das Licht durch seine Person kanalisiert. So verschmilzt der Begriff mit einem charismatisch-esoterischen Führungsanspruch. Die Metaphysik des Tempels ist untrennbar mit der psychologischen Struktur des Autors verbunden. Jantschik imaginiert sich nicht nur als Interpret dieses Raumes, sondern als dessen lebendiger Ausdruck.
Damit wird Baphmalla zur theologischen Metapher einer sakralisierten Selbstverortung – eine Projektionsfläche für einen symbolisch überhöhten Ich-Kult, eingebettet in eine esoterische Sprache der Unverfügbarkeit.
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X. Der Baphometismus als dispositiver Wirklichkeitsentwurf – Eine foucaultsche Analyse
Im Sinne Michel Foucaults kann man den Ordo Baphometis als dispositif begreifen – als historisch spezifisches Geflecht aus Diskursen, Institutionen, Raumdispositiven und Bildpraktiken. Jantschiks System ist keine bloße Weltanschauung, sondern ein Totaldispositiv, das vom rituellen Handeln über die Sprachkontrolle bis zur esoterischen Kosmologie reicht.
Zentral ist dabei der produktive Charakter eines Wirklichkeitsentwurfs: Jantschik verbietet oder unterdrückt nicht – er produziert Realitäten. Die baphometische Sprache erzeugt Subjekte, so wie die rituellen Diagramme kognitive Strukturen etablieren und die Vision von Baphmalla eine raum-mystische Architektur installiert. Dieses Dispositiv konstruiert nicht nur eine Ideologie, sondern einen ganzen Habitus des esoterischen Subjekts – seine Wahrnehmungsweisen, Denkmuster, körperlichen Praktiken.
Das Subjekt steht nicht außerhalb dieses Dispositivs – es ist dessen Effekt. Durch Invokation, Meditation, diagrammatische Visualisierung und magisch-polare Ausrichtung wird das Individuum zum Agenten des Systems – jedoch nur insofern es dessen Regeln und Ontologien bereits verinnerlicht hat. Die sprachlichen und diagrammatischen Formen fungieren nicht nur als Vermittler, sondern als Produktoren einer bestimmten esoterischen Subjektivität.
In den Briefen wird dieser Mechanismus untermauert durch die Performanz des Autors selbst: Jantschiks Schreiben folgt nicht der Logik der Mitteilung, sondern der eines ritualisierten Selbstvollzugs. Die Sprache schafft nicht nur ein System – sie erzeugt eine ontologische Zone, in der das System als Realität erscheint. Das Diagramm, die Formel, die Baphmalla-Vision: sie wirken als Apparate, in denen sich ein Wirklichkeitsentwurf als Wahrheit kleidet.
Der Baphometismus erscheint somit als totale Ritualmaschine im foucaultschen Sinne – eine apparative Konstellation, in der Gestaltungsphantasie, Wissen und Subjekt miteinander verschaltet sind. Was auf den ersten Blick wie eine private Mythologie wirkt, entpuppt sich als semiotisch perfektioniertes System esoterischer Regierungslogik.
In ihrer visuellen Dichte und symbolischen Überdeterminierung stehen Jantschiks Diagramme und Texte in der Tradition jener saturnischen Bildwelten, wie sie zuvor bereits Johannes Göggelmann und Guido Wolther entworfen hatten – Diagrammatiken, die weniger der Orientierung dienten als der Durchsetzung einer magischen Kontrolle. Beide prägten die Geschichte der Fraternitas Saturni nicht zuletzt durch Skandale: Göggelmann mit der Fantasie einer rituellen Katzenopferung, Wolther mit obsessiven Serien sexualmagischer Zeichnungen und Ritualen. Jantschiks Diagramme und Texte knüpfen an diese Tradition der Grenzüberschreitung an – doch führen sie sie in eine neue Stufe der semantischen Selbstverkapselung.
Am Schluss dieser Untersuchung wird ein vergleichender Blick auf Walter Jantschik und Johannes Maikowski folgen – einen weiteren Protagonisten, der mit seinen Ideen und Visionen weit über das hinausging, was der durchschnittliche Okkultist gewöhnlich zuhause in seinem privaten Tempel entwirft.
Sigillenmaschine Versuchsschaltung
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XI. Sonderlehren: NOX, LVX, YESOD, HGA-Kritik
Jantschiks System enthält zahlreiche Sonderlehren, die seine Abgrenzung gegenüber etablierten esoterischen Systemen betonen. Die Begriffe NOX und LVX werden kabbalistisch interpretiert und rituell miteinander verschaltet. NOX steht dabei für Auflösung, LVX für Licht, beide durchlaufen YESOD, das Zentrum energetischer Verschmelzung:
- „Der Samen NOX steigt von Malkuth zu Yesod auf.“
- „Der Samen LVX steigt von Tiphereth nach Yesod ab.“
In YESOD verschmelzen sie zur Doppelhelix und erzeugen eine energetische Transmutation. Diese Metaphorik wird bei Jantschik zum Ausdruck einer dynamischen Lichtdialektik, die ihre Entsprechung im Ritual findet. Der „NOXische Weg“ ist dabei kein Weg ins Nichts, sondern eine Phase der Transformation auf dem Weg zu Kether.
Eine besonders scharfe Sonderlehre betrifft die Ablehnung des Konzepts des Holy Guardian Angel (HGA). Jantschik bezeichnet diesen als „vampirisierendes Konstrukt der nocturnal-astralen Bruderschaft“ und entwickelt dagegen eine energetisch-sexuelle Gegentheorie: Der HGA sei eine psychische Last, die nur durch sexuelle Umwandlungstechniken auflösbar sei. Zitat: „Der HGA ist wirklich eine wahre Last und nagt am Lebensgeist.“
Die Figur Noctifer wird als „stiller Wächter“ dieser mystischen Region benannt – eine esoterische Wächterfunktion jenseits von polaren Kategorien.
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XII. Synthese einiger Briefe an P.R. König (1987–1990): Kommentar und thematische Analyse
Die Auswertung von zwei Dutzend Briefseiten von Walter Jantschik an mich ergibt eine Fülle thematischer Motive, rhetorischer Eigenheiten und ideologischer Selbstverortungen, die sich in die Systemarchitektur der baphometischen Doxologie nahtlos einfügen. Auffällig ist die ritualisierte Sprache, mit der Jantschik seine Briefe eröffnet – etwa die häufige Grußformel „Salutem in nomine demiurgi dei nostri Baphometi“, eine Reminiszenz an die Fraternitas Saturni („Salutem in nomine demiurgi Saturni“) und zugleich Indikator für die sakrale Selbstinszenierung des Autors als Sprachrohr einer höheren Ordnung.
Zentral ist die wiederholte Selbstbezeichnung Jantschiks als „Baphometor“, eine Wortschöpfung, die ihn nicht nur als Eingeweihten, sondern als Vermittler, ja: als Inkarnation des baphometischen Prinzips positioniert. Diese Selbstverortung erfolgt im Modus einer affirmativen Auflösung des Ichs – das Individuum wird transzendiert zugunsten eines sprachlich-mystischen Amalgams aus Licht, System, Diagramm und Demiurg.
Inhaltlich fallen mehrere Kernthemen auf:
- Kosmologie der Baphmalla: Immer wieder wird Baphmalla – der violette Lichttempel – als interdimensionale Knotenstruktur beschrieben, in die das OB-System „einflutet“ oder „emanativ strömt“.
- Sprachlich-rituelle Formelhaftigkeit: Die Briefe sind gesättigt mit kabbalistischen Verweisen, invertierten Glyphenkombinationen und Diagramm-Andeutungen, die keinen Mitteilungszweck erfüllen, sondern einen rituellen Vollzug inszenieren.
- Chrono-Magie: Jahreszahlen werden nach baphometischen Zyklen angegeben (z.B. „im 4. NOX-Zyklus“), was die Lebenszeit mit sakraler Zeit synchronisiert.
Paranoide Systemoffenheit als immunisierendes Dispositiv
Ein bemerkenswerter Aspekt in Jantschiks Briefen wie auch in der Architektur seiner baphometischen Doxologie ist die eigentümliche Spannung zwischen latenter Bedrohungsrhetorik und gleichzeitig demonstrierter Unangreifbarkeit. Immer wieder wird auf „Spaltungen“, „verdeckte Angriffe“ oder „okkulte Infiltrationen“ verwiesen – doch konkrete Täter oder Belege werden nie genannt. Diese semantische Vagheit erzeugt eine Atmosphäre hermetischer Verschlüsselung, in der die Grenze zwischen realer Bedrohung und rituell erzeugtem Schutzfeld verschwimmt.
Psychologisch betrachtet lässt sich diese Struktur als initiatisch-immunisierendes Dispositiv deuten: Jantschik konstruiert mit der Baphmalla als transzendentalem Lichtzentrum und der Hyparche als unerreichbarer Negativsphäre eine esoterische Welt, zu der nur er selbst Zugang hat. In dieser inneren, nur symbolisch zugänglichen Raumstruktur verliert jede äußere Kritik (sei es durch Sektenjäger oder auch Journalisten), jeder magische Angriff (z.B. durch den Ordo Saturni, in dem er zeitweise selbst Mitglied war), jede institutionelle Konkurrenz ihre Relevanz – schlicht, weil sie das System nicht betreten können.
Seine Antwort auf etwaige feinstoffliche Übergriffe fällt entsprechend entwaffnend schlicht aus: „Ich habe nichts davon gespürt.“ Doch diese scheinbare Harmlosigkeit ist Teil einer ideologischen Selbstabschirmung: Wer sich in einem metaphysischen Hochsicherheitsraum aus BAFMACA-Lichtfeldern, semantisch kodierter Diagrammatik und sakraler Eigenzeit (NOX-Zyklen) bewegt, hat jede Möglichkeit zur Externalisierung von Störung eliminiert.
Hier zeigt sich die performative Stärke seines Systems: Es immunisiert sich durch Undurchschaubarkeit. Die semantische Nebelzone, die das gesamte OB-Vokabular durchzieht, wirkt wie ein magisches Tarnfeld. Angriff, Kritik, Irritation – all dies prallt ab an einer Oberfläche, die in ihrer radikalen Eigenlogik keine Außenreferenz kennt. Jantschiks System ist nicht geschlossen, weil es keine Türen hat – sondern weil es nur durch einen Spiegel betreten werden kann, den allein der Baphometor kontrolliert.
Kommentierend fällt auf, dass der Duktus der Briefe zwischen affirmativer Einverleibung und kindlicher Naivität schwankt. Jantschik absorbiert den Tonfall seines Gegenübers – ein empathisches Vakuum, das alles aufnimmt und sakral zurückspiegelt. Die Briefe dokumentieren daher nicht nur ein esoterisches Weltmodell, sondern auch die Performanz eines autopoietischen Subjekts, das seine eigene Kontur opfert, um als Projektionsfläche baphometischer Imagination zu dienen.
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XIII. Hyparche und BAFMACA – Begriffe als ideologische Operatoren
Die Begriffe Hyparche und BAFMACA bilden zwei ideologische Eckpfeiler innerhalb von Jantschiks baphometischer Doxologie – sie fungieren weniger als deskriptive Termini denn als operative Marker eines magisch-semiotischen Systems, das Gestaltungsphantasie durch Bedeutung konstituiert. Beide Begriffe sind zugleich Chiffre, Programm und performative Invocation.
Hyparche: Der „Anti-Raum“ als dogmatischer Transzendenzsimulator
Jantschik beschreibt die Hyparche mehrfach als „Anti-Raum“, als „inversive Raumzeit-Entsprechung zur realkausalen Dimensionalität“ oder als „Transversale der Lichtkrümmung in der Meta-Peripherie des Demiurgischen“.
- Ontologische Verankerung eines Kontrollraums: Die Hyparche ist das metaphysische Rückgrat des OB-Systems – Kontrolle durch Unsichtbarkeit.
- Systemästhetik der Entkonkretisierung: Hyparche perforiert die Sprache der physischen Welt. Ihre Existenz ergibt sich aus struktureller Negation.
Foucaults Begriff des Heterotopischen ist hier fruchtbar: Die Hyparche wäre eine „wirkliche Utopie“, ein symbolisch stabilisierender Nicht-Ort.
BAFMACA: Lichtmetapher als epistemischer Absolutismus
BAFMACA erscheint als absoluter Lichtcode, ein „gnostisch-solaroider Gesamtimpuls“, der als Urschwingung alles Durchlichtete strukturiert.
- Codierung von Wahrheit in Lichtstruktur: BAFMACA ersetzt Argumentation durch sakrale Evidenz. Wer sich darauf beruft, ist Teil der Wahrheit.
- Metaphysische Singularisierung: Weder Gott noch Idee – BAFMACA fungiert als „e-Sphäre der integrativen Lichtessenz“.
In den Briefen imaginiert sich Jantschik als „Träger des BAFMACA-Kontinuums“. Die Formulierung „Ich wirke im BAFMACA-Strom“ markiert seine ideologische Selbstauflösung.
Kommentar zur ideologischen Funktion:
- Die Begriffe destabilisieren Referenz – sie entziehen sich jeder Kritik durch semiotische Entrückung.
- Sie schaffen eine charismatische Sprechposition, in der Bedeutung durch Gebrauch entsteht.
Sie fungieren als ideologische Signifikanten ohne Signifikat – ähnlich Lacans S1, der „leere Signifikant“, der alle anderen Bedeutungen absorbiert. Wer die Begriffe verwendet, tritt ins System ein – wer sie nicht versteht, steht außerhalb.
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XIV. Ist Jantschiks baphometische Doxologie eine Form der Gnosis?
These: Jantschiks System ist eine Form von Gnosis
- Erkenntniszentrierung: Zugang zu transrationaler Erkenntnis ist exklusiv – Offenbarung ersetzt Diskurs.
- Kosmologischer Dualismus: Trennung von profaner Welt und erleuchtetem „Jenseits“.
- Esoterisches Heilsversprechen: OB als alleiniger Träger der Rettung durch das Licht BAFMACA.
- Mythopoetische Reinszenierung: Die Welt wird rituell und sprachlich neu geschrieben.
Gegenargumente:
- Kein transzendenter Gott über dem Demiurgen: Baphomet ist die rettende Instanz – klassische Gnosis wird hier invertiert.
- Überaffirmation der Welt: Keine Ablehnung, sondern ritualisierte Durchdringung – das Gegenteil gnostischer Weltverneinung.
- Fehlende Entfremdungserfahrung: Keine existentielle Fremdheit, sondern harmonisierende Lichtdialektik.
Alternative Perspektiven:
- Gnosis als ästhetisches Modell: Gestaltung statt Erfahrung – poetische Simulation gnostischer Struktur (ähnlich Kenneth Grant).
- Psychotechnologie: Rituale + Begriffe + Diagramme = magisch-semiotische Interface-Technologie.
Fazit: Jantschiks Doxologie ist keine klassische Gnosis, sondern eine techno-esoterische Simulation gnostischer Muster. Sie ersetzt transzendente Erfahrung durch systemische Symbolik. Erkenntnis wird Funktion – nicht Befreiung.
Gnosis wie ein Hologramm: Man kann hindurchsehen – aber nicht hinaus.
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XV. Der Baphometor zwischen Christusformel und corps sans organes: Theologische und schizoanalytische Resonanzen
Ein bemerkenswerter Aspekt der baphometischen Doxologie Walter Jantschiks ist ihre strukturelle Ähnlichkeit mit älteren religiösen und philosophischen Universalmodellen – insbesondere mit der christologischen Formel aus dem Kolosserbrief sowie dem Konzept des Körpers ohne Organe (corps sans organes, cso) aus Anti-Ödipus von Deleuze und Guattari. Nur wenige Tage nach der Veröffentlichung dieses Traktats im Mai 2025 wies Christian Hoynowski, ein aufmerksamer Leser in Costa Rica, auf eben diese Parallelen hin – ein Impuls, der die Analyse über die esoterische Binnenlogik hinaus auf eine breitere theoretische Ebene lenkt.
1. Christusformel: Der Kosmos in einer Person
Der Brief an die Kolosser (1,15–20) beschreibt Christus als denjenigen, „in dem alles geschaffen wurde“, „in dem alles zusammengehalten wird“ und „in dem die ganze Fülle Gottes zu wohnen beschlossen hat“. Diese Formulierung markiert den theologischen Gipfelpunkt einer christlichen Kosmologie: eine einzelne, zentrale Figur wird zum metaphysischen Gravitationszentrum, zur Sinn- und Weltachse, zur semantischen Totalinstanz.
Die strukturelle Nähe zu Jantschiks Selbstverortung als „Baphometor“ ist auffallend. Auch er stilisiert sich zum Durchgangspunkt eines alles durchdringenden Lichtstroms (BAFMACA), zum sakralen Prisma, das Wirklichkeit bricht, reflektiert und reorganisiert. Was in der Kolosserstelle theologisch überhöht ist, findet sich bei Jantschik als esoterisch-technomagische Reinszenierung: Das System wird durch die Figur, die Figur durch das System getragen. Der Baphometor fungiert dabei nicht nur als Prophet, sondern als struktureller Knotenpunkt – als Medium, das alles in sich zurückführt.
2. Der Körper ohne Organe: Schizoanalytische Selbstabschottung
In Anti-Ödipus skizzieren Deleuze und Guattari die Figur des Körpers ohne Organe (corps sans organes, cso) als glatte, gespannte, opake Oberfläche, die sich gegen das Eindringen von organisierten Bedeutungs- oder Wunschstrukturen wehrt. Der cso ist eine Strategie gegen Systemisierung, gegen „organische“ Hierarchisierung – und zugleich eine paranoide Maschine, die alles als Übergriff liest. Dieser Mechanismus zeigt sich auf paradoxe Weise auch in Jantschiks System.
Obwohl es zunächst den Anschein totaler Offenheit erweckt (alles kann Teil der baphometischen Diagrammatik werden), wirkt das System wie ein esoterisch versiegelter cso: Es absorbiert jeden Angriff, wandelt jede externe Kritik in symbolische Bestätigung um und verhindert auf diese Weise jede Form von dialogischer Öffnung. Die despotische Signifikanz (wie Deleuze und Guattari sie nennen – etwa in Form von Christus, Oedipus, Phallus oder dem Baum des Lebens) wird in der baphometischen Doxologie durch Baphomet selbst ersetzt – ein Signifikant, der sich jeder äußeren Referenz entzieht, weil er selbst das semiotische Zentrum bildet.
Jantschiks System operiert somit zwischen zwei Polen: einerseits der theologischen Totalisierung nach Art der paulinischen Christologie, andererseits der schizophrenen Systemverweigerung des cso. Beide Logiken führen zum gleichen Effekt: Die Außenwelt wird nicht ausgeschlossen, sondern umcodiert, transformiert und letztlich übernommen.
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XVI. Fazit: Baphometische Doxologie als ideologisches System totaler Selbstreferenz
Walter Jantschiks baphometische Doxologie ist kein loses Sammelsurium esoterischer Spekulationen, sondern eine hochkonsistente – wenngleich in sich geschlossener – kosmische Selbstarchitektur, die sich aus Sprache, Ritual, Diagrammatik und mythopoetischer Übercodierung speist. Er operiert mit Begriffen, die keine Wirklichkeit abbilden, sondern eine neue Wirklichkeit setzen. Dieses System ist ideologisch im präzisen Sinne: Es beansprucht absolute Geltung, lässt keine Außenperspektive zu und absorbiert jede Kritik als Teil seiner eigenen Logik.
In den Schriften, Diagrammen und Briefen tritt ein zentraler Mechanismus zutage: das System verweist immer nur auf sich selbst. BAFMACA erklärt Hyparche, Hyparche erklärt Baphmalla, Baphmalla bestätigt den Ordo, der Ordo wird durch den Baphometor aktiviert, der wiederum im BAFMACA-Strahl operiert. Dieses zirkuläre Bezugssystem bildet ein diskursives Perpetuum Mobile – eine Art semiotische Autarkie, die sich jeglicher Verifikation entzieht.
In ideologiekritischer Hinsicht ist dies ein Lehrbuchbeispiel für eine esoterische epistemische Autokratie: Wissen wird nicht gesucht, sondern behauptet; Wahrheit entsteht nicht durch Dialog, sondern durch Diagramm; Erkenntnis ist nicht relational, sondern initiatisch. Was hier als Gnosis präsentiert wird, ist weniger Erkenntnis der Welt als vielmehr Imposition eines Weltmodells.
Zugleich offenbaren Jantschiks biografische Daten und meine persönlichen Erfahrungen mit ihm eine tief ambivalente Figur. Jantschik war kein manipulativer Machtmensch, sondern eher ein naiver Gläubiger, der in seinem unermüdlichen „Ja“ zur Welt der Baphometie von ihr durchdrungen wurde. Seine Identifikation mit dem System war so total, dass sie seine Person auflöste. Jantschiks Unfähigkeit zu widersprechen, seine kindlich-affirmative Aufnahme jeder noch so absurden These und seine Bereitschaft, alles zu unterschreiben, zeigen die Schattenseite dieser Art von esoterischer Totalidentifikation: Sie produziert keine freien Subjekte, sondern Trägerfiguren.
Die baphometische Doxologie ist daher nicht nur ein ideologisches System, sondern auch ein psychisches – eines, das in der Lage ist, Subjekte zu transformieren, bis sie vollständig Teil seiner Binnenlogik werden. Die Grenzlinie zwischen Glauben, Wahn und Struktur wird dabei absichtsvoll verwischt.
Biographisch ist Jantschik ein Wanderer durch nahezu alle okkulten Gruppierungen seiner Zeit: Fraternitas Saturni, Ordo Saturni, A.M.O.R.C., O.T.O.A., Monastery of the Seven Rays, Temple of Set, AMOOKOS, Goden-Orden, Stephanios-Loge, Caliphate-O.T.O. – und schließlich Gründer seines eigenen OB. Seine Selbstbeschreibung schwankt zwischen akademisch aufgeladenen Fantasien – etwa Studien in Psychologie, Philosophie, Theologie, Mathematik, Wirtschaft und Politik, einem Doctor of Psychology (Ps.D.) am College of Metaphysics (USA) und einer Professur für Philosophie von 1975 bis 1983 an der „Cooperating Studium“ der UNISA (University of South Africa, Pretoria) – und banaler Realität: Angestellter in einer Justizvollzugsanstalt.
Diese Diskrepanz prägt auch sein System: Der Anspruch transdimensionaler Wirksamkeit kollidiert mit einer Praxis, die maßgeblich durch mediale Aufmerksamkeit und Außenzuschreibungen bestimmt wurde. In der okkulten Szene war Jantschik zugleich berühmt und berüchtigt. Wenn ich ihn besuchte und Saturnianer mitbrachte, schwankten deren Reaktionen zwischen ehrfürchtiger Bewunderung und körperlicher Erstarrung. Seit dem Start meiner Website im Jahr 1996 rangieren Jantschik und sein Ordo Baphometis durchgängig unter den ersten zehn der monatlichen Zugriffszahlen. Das Interesse an ihm reißt nicht ab.
Nicht nur seine äußerst kurze, nur sechsmonatige Amtszeit als Großmeister der Fraternitas Saturni im Jahr 1969, sondern auch ein tatsächlicher Mordfall in seinem nahen Umfeld sorgte für nachhaltiges Interesse an seiner Person.
Im Jahr 1970 erschoss das Fraternitas-Saturni-Mitglied Paul-Günther Diefenthal im Haus von Walter Jantschik dessen Schwager, Josef Göttler – nach eigenen Angaben im „Auftrag Baphomets“. Jantschik kommentierte die Tat später mit den Worten: „Die Hinrichtung meines Schwagers habe ich kommen sehen. Sie musste so oder so eines Tages geschehen. [...] Baphomet wollte es so!“, womit er nicht nur die Bluttat in einen esoterischen Determinismus rückband, sondern auch die Durchlässigkeit zwischen symbolischer Ordnung und realer Gewalt im Kontext seiner Weltdeutung offenbarte.
Jantschik wurde von vielen instrumentalisiert: Journalisten lauerten ihm auf, dichteten ihm Menschenopferzitate an, die A.R.W. holte ihn als Autor ins Boot, und ich selbst ließ ihn bei Kuchen und Kaffee ein okkultes ‚Geheimnis‘ unterzeichnen (siehe Abbildung unten) – wie so viele vor und nach mir, versteht sich.
Die Diskrepanz zwischen dem hochkomplexen ideologischen System und der manipulierbaren Persönlichkeit des Autors entlarvt das gesamte Konstrukt als fragile semantische Blase. Doch gerade diese Verletzlichkeit – diese extreme Identifikation mit der Sprache des Systems – macht Jantschik zu einer exemplarischen Figur moderner Esoterik: zum Baphometor wider Willen.
Dass Jantschik instrumentalisiert wurde, liegt in der Struktur seines Systems selbst: Es schützt nicht vor Übergriffigkeit – es lädt dazu ein. Wer sich so sehr zur Projektionsfläche stilisiert, muss damit rechnen, projiziert zu werden.
Jantschik bleibt damit ein ambivalentes Zeugnis: ein Zeuge eines umfassenden spirituellen Systems, das auf der Höhe postmoderner Selbstreferenzialität operiert.
XVII: Vergleich: Johannes Maikowski und Walter Jantschik
Sowohl Johannes Maikowski als auch Walter Jantschik entwarfen private Kosmologien, in denen Sexualität, Magie, Sprache und Erlösung zu totalen Deutungsrahmen verschmolzen – doch während Jantschik in seiner baphometischen Doxologie ein formal stringentes, techno-esoterisches Kontrollschema mit ritualisierter Selbstverrechnung und semantischer Autarkie etablierte, oszillierte Maikowski in einem unabschließbaren Wechselspiel aus visionären Impulsen, SF-Romanfragmenten, hypergraphischem Visionärstum, autobiografischer Mythenbildung und widersprüchlicher Selbstüberschreibung. Jantschiks System blieb trotz aller Obskurität auf symbolischer Ebene stabil und immunisierte sich durch terminologische Hermetik gegen äußere Kritik, während Maikowskis Weltbild sich in immer neuen Identitätsbrüchen, Selbstwiderrufen, Revisionen und transitorischen Figuren – Katharer, Saturnianer, Ideaner, wiedergeborener Christ – ständig neu entwarf und zugleich zerstörte. Was Jantschik als ideodynamisches Erweckungssystem inszenierte, erscheint bei Maikowski als obsessiver, flirrender Bewältigungsversuch einer gequälten Biografie – suchend, verletzlich, selbstwidersprüchlich und letztlich unabschließbar.
Maikowskis Zuhause wirkte wie ein begehbares Kaleidoskop – wild, unzensiert, immun gegenüber jeder kulturellen Konvention von Ordnung oder Ästhetik. Jantschiks Wohnung war dagegen strukturiert, fast bürokratisch überorganisiert: Manuskripte und Bücher stapelten sich säuberlich in jeder nur möglichen Schublade, jedem Schrank, jedem Regal – selbst die Schränke im Kinderzimmer waren voller Material. Die Schriften, die er las, waren akribisch schülerhaft unterstrichen, mit Markierungen jener Passagen, die ihm bedeutsam erschienen. Maikowski hingegen kümmerte sich wenig um den Verbleib seiner Unterlagen – wo Jantschik mit Lineal hantierte, verschenkte Maikowski ohne Zögern handschriftliche Gedichte von Eugen Grosche oder seinen eigenen Großmeisterstab.
[AI-generiertes Bild
Visualisierung von Jantschiks Schlafzimmer aus dem Gedächtnis]
Bei mehreren Besuchen in Jantschiks Wohnung wurde mir nicht nur regelmäßig Kartoffelsalat mit Würstchen serviert, sondern auch eine Führung durch seine private Umgebung zuteil. Über dem Ehebett in seinem Schlafzimmer hing ein Widderkopf mit zwei Hörnern.
[Maikowskis Schlafzimmer
Von ihm selbst fotografiert, mit Blick auf spätere Veröffentlichung]
Jantschik praktizierte seine Baphometie als stille Hausreligion – seine Familie zeigte keinerlei Interesse an seinen okkulten Entwürfen. Das Archiv durchwuchs zwar den Wohnraum bis in die Schränke des Kinderzimmers, doch seine Praxis blieb privat, ungeteilt, beinahe klösterlich.
Gelegentliche Bemerkungen verrieten ein leises Bedauern über diese Isolation – etwa im Wunsch nach einem Schlafzimmer, das seiner Baphometie besser standgehalten hätte – gestalterisch wie auch metaphysisch. Als hätte sich die Transzendenz wundgelaufen – an den engen Verhältnissen der Realität.
Maikowski dagegen lebte seine esoterischen Visionen im Dialog – im Duo mit seiner Frau. Die bewusst kinderlos geführte Ehe bildete den geschützten Rahmen für eine gemeinschaftlich getragene, wenn auch asymmetrisch ausgelebte Okkultismus-Praxis. Er erstellte pornographische Collagen für einen Logenbruder – seine Frau übernahm deren Versand. In seinen E-Mails war die Formulierung „wie meine Frau gerade sagte...“ ein stehender Ausdruck. Zwar trat sie mitunter im saturnischen Logenornat auf, doch das alltägliche Ritual blieb ambivalent – mit festen christlichen Fernsehroutinen und einer esoterischen Praxis, die sich eher in Gesprächen als in Systemen vollzog. Wo Jantschik ein inneres Tempelregiment führte, lebte Maikowski Okkultismus als Teil häuslicher Redegewohnheit.
Im Unterschied zu Jantschik verfügte Maikowski über einen eigensinnigen Humor, der viele irritierte. Er war belesen, kunstinteressiert, liebte klassische Musik und widmete sich mit Hingabe der Malerei. Bei Jantschik habe ich dergleichen nie beobachten können. Und doch schien bei beiden ihre Weltanschauung jener TARDIS aus Doctor Who zu ähneln: von außen unscheinbar und klein, im Inneren jedoch weiträumig, verwinkelt und überdimensioniert.
Es ist wohl kein Zufall, dass sich die beiden – trotz ideeller Nähe – weitgehend ignorierten. Dabei waren beide zu unterschiedlichen Zeiten Großmeister der Fraternitas Saturni. Ihre Systeme kreisten umeinander, ohne einander je direkt zu berühren, als wüssten sie gerade genug voneinander, um einander gezielt zu übergehen. Man könnte fast meinen, sie ahnten, wie wenig Platz zwei Weltentwürfe auf einem Planeten haben. Zwei Systeme von solcher Dichte stoßen sich offenbar eher ab, als dass sie sich anziehen. Vielleicht hielten sie einander schlicht für irrelevant. In ihren Briefen und E-Mails an mich fiel der jeweils andere allenfalls als atmosphärisches Rauschen auf. Ich kam leider nie auf die Idee, das im Gespräch ausführlich zu klären – und das Wenige, woran ich mich erinnere, klingt eher nach: ‚Ach ja – der auch noch.‘ Ob diese Ignoranz Kalkül, Abwehr oder bloße Performanz war, wird sich nicht mehr klären lassen. Beide sind tot – und ihre Systeme antworten nicht.
© P.R. König, Mai 2025. Erstellt unter Mitwirkung von ChatGPT 4o.
Verwendete Quellen:
- Die Baphometische Doxologie, 1991. Die höchste Form gnostisch-magischer Anbetung und Verehrung der Gottheit.
- Der Ordo Baphometis, 1988. Ein sexualmagisches und saturnisches Ritual.
- Gebet an Baphomet, 1986.
- Meta-Vudonisch-Baphometisch-Gnostische Energien der Schwarzen Messe, 1990. Ausschnitt. Die verbotenen Konfigurationen, Pleromatie und Sexualkräfte.
- Baphometisch-Mallisch-Luziferische Liebe, 1992. Bis zum Orgasmus erdrosseln, erschlagen, erdolchen und zerstückeln.
- Forschungsbriefe des Ordo Baphometis, 1992. Ausschnitt. Die Baph-Lade, die Baphomen, Ecclesia Baphometis.
- Das Sexualmysterium des 1. Baph-Grades des Gnostischen Pentagrammatons.
- Walter Jantschik: Baphomet Magie, Bürstadt 2001.
- Briefe an P.R. König.
Erweiterungen zur Geschichte der Fraternitas Saturni. Fotos und Texte von und zu: Eugen Grosche, Der Berg Ipf, Der Putsch 1962, Wolf Rösler, E.P.H. Barth (?)/Amenophis, Karl Wedler, Margarete Berndt, Karl Spiesberger, Walter Englert, Guido Wolther, Walter Jantschik, Horst Kropp, Johannes Maikowski, Dieter Heikaus.
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