Ordo Templi Orientis Phänomen — Peter-Robert Koenig — Interview THING 1997

Ordo Templi Orientis
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Ein Interview mit Peter-R. König für THING 16.3.97
Heidenkreis Hamburg e.V.
Postfach 630317
D 22313 Hamburg
BRD

Ordo Templi Orientis - Never Trust an Occultist




"Never Trust an Occultist"




F: Seit geraumer Zeit beschäftigen Sie sich mit magischen und okkulten Gruppierungen und publizieren zu diesem Thema, welche Intention steckt dahinter ?

A: Begonnen haben die ganzen Recherchen 1985, als ich in meiner Büchersammlung über die Schweizer-O.T.O.-Zeitschrift "Oriflamme" stolperte, mich wunderte, dass ich sowas besass, dann darin blätterte und den Eindruck erhielt: "Halt, das reimt sich nicht mit sich selbst". Als Bewunderer von Claude Levi-Strauss und Mario Erdheim, dem Zürcher Ethnologen und einzigen Uni-Dozenten, bei dessen Vorlesungen ich nicht einschlief, liess ich mich vom Strudel detektivischer Recherchen und psycho-ethnologischer Feldforschung unter "den Wilden Stämmen" im "Untergrund des Abendlandes" erfassen, nahm die verschiedensten Posen ein (die wissenschaftliche, die okkulte, etc.) und liess mich allein von meiner eigenen Beharrlichkeit leiten.
Über mein Konzept habe ich mich in der Zeitschrift "Gnostika", Nummer 1, 1996, ausgelassen: AAGW, Lothar von Kübelstrasse 1, D 76547 Sinzheim.

F: Wie man in Ihren Büchern lesen kann, haben Sie nicht nur Historie und Inhalte der Orden recherchiert, sondern waren (sind ?) auch Mitglied mancher Gruppe. Waren diese Mitgliedschaften ein notwendiges Übel für die Recherche oder waren Sie ernsthaft von den Idealen und Praktiken dieser Logen überzeugt ?

A: Als Ethnologe lebt man eine Zeitlang mit den "wilden Stämmen" im Dschungel zusammen. Wäre ich nur Jäger oder Tourist, hinge allein ein Zebrafell oder ein Selbstporträt über meinem Bett. Wie sollte ich mich mit etwas auseinandersetzen können, das ich nicht selber kenne?
Abgesehen von der (Sehn)sucht nach Visionen, scheint eines der wichtigsten Themen im organisierten Okkultismus die Sucht nach Legitimation, nach etwas Profanem, nach einer Autorisation durch Papa oder Mama zu sein. Und wie leicht es doch ist, die Aufmerksamkeit Gottes zu erheischen. Ich wollte es erleben, um es nachher in meinen Büchern spiegeln zu können: wie werde ich Häuptling der Rothäute? Manchmal reiste ich an die Treffen der Wilden Stämme in den schwarzen Kutten, manchmal öffnete ich jedoch lediglich meinen Briefkasten oder mein Tipi im Cyberspace:
33°, 90°, 95°, 96°, 97°, X°, XI°, XVI°, R+C+, Primas der Gnostisch Apostolischen Kirche der Schweiz und so vieles mehr.

F: Die Anzahl der Autoren, die sich mit Geheimbünden beschäftigen, ist beinahe unüberschaubar, wobei der Grossteil der Veröffentlichungen jedoch dem Boulevardjournalismus zugerechnet werden muss. Wie denken Sie über Ihre "Kollegen", z.B. über Haack, die Gebrüder Grandt etc. ?

A: Die Erzeugnisse der Gebrüder Grandt scheinen mir auf den ersten Eindruck hin ein bedauerlicher Ausrutscher der evolutionären Geschehnisse zu sein, drängen sich doch Parallelen zu den Nazi-Ergüssen Ludendorffscher Gesinnung auf. Gesamthaft gesehen, stellen jedoch und deshalb deren Schundwerke und peinlichen Auftritte im Karussell der täglichen TV-Talkrunden einen aktuellen Abguss des momentanen gesellschaftlichen Befindens dar. Dies ist ein Anspruch an alle betroffenen Parteien (seien es Frl. Äschbach vom Schweizer O.T.O., die Anthroposophen oder auch an mich) in den Mechanismus einzugreifen und "korrigierenden" Einfluss auf diese "Heroes just for one day" zu nehmen.

F: Wie waren die Reaktionen von seiten der von Ihnen behandelten Gruppen auf Ihre Veröffentlichungen ? Wenn wir unseren "Sektenpfarrern" Glauben schenken würden, müssten Sie bei soviel geäusserter Kritik längst Todeskandidat sein.

A: Die Reaktionen waren viel- und meistens einfältig. Einerseits weist man auf meine "moralische" Verwerflichkeit hin, da ich Briefe zitiert hätte, meist wechselt man den "Kriegsschauplatz" und diskutiert meine Schuhgrösse ("König verdient sein Geld als Striptease-Tänzer in einem Transvestitenlokal", Zitat!), viele "wissen", dass meine Bücher nur faktische Fehler enthalten, obwohl sie diese gar nicht gelesen haben (Zitat!), ein Oberhaupt eines O.T.O. schreibt, dass König's "Materialien" seiner Gruppe Schaden zufügen (man notiere: "Materialien" und nicht "Analysen" oder "Darstellungen"); die Oberhäupter allgemein raten ihren Mitgliedern ab, mit mir zu reden, da diese sonst in anstehende (angebliche) Gerichtsprozesse einbezogen werden könnten, etc. etc. etc. Generell: Exmitglieder von O.T.O.-Gruppen sind ob meiner Existenz begeistert.
Alles Nebenschauplätze: man scheint dermassen geblendet von der Explosion zu sein, dass man gar nicht mehr hinschaut, was in meinen Büchern zu finden ist: das eigene Spiegelbild, die eigenen Worte und die eigenen Taten. Eine der ganz wenigen löblichen Ausnahmen war David Scriven, dessen Korrespondenz mit mir via meiner Internet Homepage zu finden ist.

F: In Anbetracht der von Ihnen veröffentlichten Materialfülle hat es uns sehr überrascht, dass Ihre Bücher im Grunde Geheimtips für Insider geblieben sind. Wir hatten den Eindruck, dass die "okkulte Szene" hier die Strategie gewählt hat, Ihre Bücher totzuschweigen und auf gar keinen Fall eine Diskussion entstehen zu lassen. Würden Sie dem zustimmen ?

A: Es war nie auch nur eine Sekunde lang meine Absicht, für ein grosses Publikum zu publizieren. Sonst hätte ich a) einen anderen Verlag gewählt und b) das Thema komplett anders angegangen: z.B. nicht gespiegelt.
Sie implizieren mit Ihrer Frage eine "homogene" und entscheidungsfähige Szene: als eine solche ist mir jedoch keine begegnet. Ich verstehe ausserdem nicht, was Sie in diesem Zusammenhang unter dem Begriff "Szene" meinen. Denken Sie an _publizierte_ Reaktionen? Die gab es von den "betroffenen Parteien" schon lange bevor ich auch nur ein Buch veröffentlicht hatte ...
Von "totschweigen" kann gar nicht die Rede sein. Sie sollten sehen, wie viele e-mails oder s-mails ich erhalte. Vergessen Sie auch nicht, die betroffene "Szene" ist sehr klein. Wurden doch für einen Gerichtsprozess anfang der 90er die Namen und Adressen der Mitglieder des Deutschen Zweiges des "Caliphats" festgehalten. Und es waren deren nur 24.
Anstatt "totschweigen" wären eher die Begriffe "versuchte Zensur" oder "subtiler Druck" angebracht.

F: Ihre Darstellung der Geheimbünde ist zuweilen sehr sarkastisch und ironisch; einzig und allein den "Ordo Templi Orientis Antiqua" und die "Fraternitas Saturni" scheinen Sie als ernsthaft magische Gruppierungen zu betrachten. Nehmen sie tatsächlich eine Sonderstellung ein ? Was macht sie so verschieden von den anderen Logen ? Sind Sie Mitglied eines der Saturn-Orden?

A: Der OTOA ist ein ganz besonders gelungenes Bespiel von "gnostischer Inflation", das spricht für sich selbst, und die FS nahm sich dermassen bitter ernst, dass ich eben genau dieses spiegelte.

F: Über die Maat Bewegung um Maggie Ingalls/Soror Nema ist in Deutschland eher wenig geschrieben worden — vielen sind deren Konzepte und Ideen gänzlich unbekannt. Sie haben diese Bewegung im "OTOA-Reader" kurz gestreift. Wird sich diese Richtung Ihrer Meinung nach langfristig gesehen auch in Deutschland etablieren ?

A:Über die Maat-Sachen habe ich schon früher in der AHA publiziert, soweit ich mich erinnere, hat mir Maggie Ingalls das Copyright für die Deutsche Veröffentlichung gegeben und "zusammen" mit Ian Fries habe ich dann ein paar diesbezügliche Texte übersetzt und in der AHA publiziert.
Ich kann mir vorstellen, dass das undogmatische Maat-Kontinuum der Vereinsmeierei-Mentalität der Deutschen im Wege steht. Der Deutsche Charakter verlangt nach einem strammen Marschtritt und flotter Musik. Dies bietet natürlich das "Caliphat". Das Maat-Kontinuum hingegen bleibt diffus, ruft nach Kreativität, geht schnurstracks auf das Stück Fleisch los, das mit Sexualsekreten verzehrt wird — und sowas schüchtert die Deutsche Seele ein. Ausserdem lässt sich mit den Maat-Texten kein Geld, wie mit Crowley's Werken, machen. Also hat auch niemand Interesse daran, dass das unlukrative Maat-Kontinuum sich ausbreitet.

F: Welchen Stellenwert werden Ihrer Meinung nach Ingalls, Grant und Bertiaux in der zukünftigen Magieszene einnehmen ? Viele sehen sie als richtungsweisend, da sie eher undogmatisch agieren und sich — manche mehr, andere weniger — auch von der Zentralfigur Crowley gelöst haben.

A: siehe oben

F: Mancher Kritiker hat Ihnen vorgeworfen, dass Sie bei Ihrer Darstellung oftmals die spirituellen Motive vernachlässigen, die manche Unternehmungen und Aussagen der Akteure, die nüchtern betrachtet lächerlich bis absurd wirken, in einem anderen Licht erscheinen lassen würden. Empfinden Sie diesen Vorwurf als zutreffend?

A: Interessant, dass Sie den Begriff "nüchtern" einführen. Sie können folgendes Schubladendenken anwenden: die O.T.O.-Gruppen stecken ihre Propaganda in die Waschmaschine und ich drücke den Knopf, um diese vom Schmutz reinzuwaschen.

F: Für das "O.T.O.-Phänomen" haben Sie den Ausspruch "Never Trust An Occultist" von Ellic Howe als Fazit genommen. Gibt es — trotz aller Kritik - Personen oder Gruppen, die Ihre Sympathie oder Ihren Respekt geniessen ?

A: Primär interessiert es mich nicht, mit welchem Glauben oder welchen Praktiken sich meine "Freunde" auf welche Art und Weise auch immer auseinandersetzen. Ich habe jedoch immer wieder bestätigt bekommen, was Howe, an seiner Pfeife saugend, murmelte: "Never Trust An Occultist"!

F: Warum wird der Band "Materialien zum O.T.O." — der genauso aufgemacht ist wie die anderen Veröffentlichungen — zum schwindelerregenden Preis von 72,- DM verkauft ?

A: Häh?

F: Was sagen Sie zu nachstehendem Zitat ? "Die Fraternitas Saturni hat mit dubiosen Praktiken, wie sie etwa in den Büchern von P.R. König beschrieben werden, nicht das geringste zu tun. Da in diesen Schriften die FS laufend mit ihrer Imitation (Anm.:gemeint ist der Ordo Saturni) verwechselt wird, könnten die dort beschriebenen skurrilen Arbeitsmethoden und Weltanschauungen allenfals auf jene zutreffen." (Offener Brief an die AHA, August 1995 von Ralph Tegtmeier, FS)

A: Ich habe den Eindruck, dass Tegtmeier von meinen Büchern begeistert gewesen wäre, hätte ich ihn darin irgendwo und irgendwie erwähnt. Es fand sich jedoch beim besten Willen keine Gelegenheit dazu. Oder hätte ich etwa seine Briefe zitieren sollen, in denen er mich um Beiträge für seine Projekte bat?

F: Wie denken Sie über die vielfach hierachischen Strukturen der Orden?

A: Dies macht den Verein zu einer kontrollierbaren money-milking-machine.

F: Über die Verbindungen von Geheimbünden und Politik ist viel geschrieben worden, wobei das meiste jedoch wohl der Paranoia der jeweiligen Autoren entstammt, die hinter der Weltverschwörung (wahlweise die rechte oder die linke) her sind. Trotzdem gibt es z.B. insbesondere in Italien zahlreiche Verstrickungen, die nur schwer zu durchschauen sind. Ist eine Propaganda Due auch in Deutschland möglich ?

A: Ich weiss zuwenig über die P2, aber sicherlich gibt es sogenannte nicht-magische Geheimbünde, in denen sich "seriöse" Herrschaften zusammenschliessen, die weder mit der üblichen Freimaurerei, noch den Küchentisch-Orden a la O.T.O. etwas zu tun haben wollen. Schlagworte, wie "weltweite jüdische Freimaurerverschwörung" treffen auf diese "echten" Geheimbünde selbstverständlich nicht zu.

F: Wie sehen Sie die Zukunft des O.T.O. bzw. der O.T.O.s ? Denken Sie, dass das Thelema Konzept sich halten und behaupten wird oder wird es bald ein System von vielen sein, bei dem man beliebig Anleihen für seine eigene Weltanschauung nehmen kann ?

A: Zuerst muss mal klargestellt werden, dass Thelema nicht gleich O.T.O. ist und dass ich allein die O.T.O.-Gruppen recherchiert habe und keinesfalls Thelema.
Wieso sollte nicht auch ein ein blauer O.T.O. neben dem grünen und gelben im Supermarkt der weltanschaulichen Strömungen erhältlich sein? Es fragt sich nur, in welchem Gestell man diese Fastfood-Packungen einordnen wird: "Instant Illumination" oder "Constant Nirvana"?
Das "Caliphat" macht Bestrebungen, Thelema zu kontrollieren, was ich insofern begrüssenswert finde, als dass eine Art dogmatische Hermeneutik Crowley'scher Schriften stattfindet (womit der organisierte "Crowleyaner" sich vom "wilden" "Satanisten" abgrenzen kann). Wird diese Linie eingehalten, wird Thelema weiterhin im Supermarkt der Universellen Vibrationen auffallen. Aber ob damit auch die angestrebte Transzendenz Thelemas erreicht wird, wage ich zu bezweifeln.

F: Warum sind scheinbar gerade die thelemitischen Gruppen nicht zur Zusammenarbeit fähig ?

A: Schon die alten Griechischen Götter liebten es, einander zu bekämpfen und gegeneinander zu intrigieren. Weshalb sollten es die modernen selbsternannten Götter im Wohnzimmer anders halten?

F: Wie sehen Sie das Neuheidentum in Bezug auf den O.T.O. ? Sowohl Gardner als auch Sanders waren bekanntlich auch im O.T.O..

A: "Historisch" gesehen, haben Gardner und Co. "damals" wohl ausprobiert, mit welchem Vehikel sie am besten ihre Ideen umsetzen konnten. Der Crowley-O.T.O. scheint "damals" nicht die passende Anzahl Räder gehabt zu haben. Ich nehme auch an, dass Inspiration und Kreativität im Spiel geblieben sind.

F: Sind Neuheidentum und Thelema für Sie Gegensätze?

A: Nein. Jeder Konsument kriegt ja auch bei Aldi eine gewisse Auswahl von Produkten! Auch da liegen Kaffee und Tee im selben Gestell.

F: Die O.T.O. Reihe wurde als 10bändiges Werk konzipiert. Mit "Das Beste von Heinrich Tränker" erschien im letzten Jahr der siebte Band.

A: ... und mit "How to make your own McOTO" der achte.

F: Haben Sie schon Pläne für die Zeit danach ? An welchen Projekten arbeiten Sie momentan und wann wird der Band über die "Fraternitas Saturni" erscheinen ?

A: Mittlerweile sind insgesamt 13 Bände konzipiert. Wie bis anhin, mindestens zwei pro Jahr:
  • 1997:
    — Der Grosse Theodor Reuss Reader
    — Das Beste von Friedrich Lekve
  • 1998:
    — Gnostisch Katholische Kirchen
    — In Nomine Demiurgi Saturni
  • 1999: — Noch Mehr Materialien zum O.T.O.

Was danach geschieht, kommt auf das TV-Programm an. Vielleicht haben Sie ja eine Idee?

F: Vielen Dank für das Interview.

A: Ich habe _Ihnen zu danken und werde dieses Interview vielleicht im 13. Band (Noch Mehr Materialien Zum O.T.O.) aufnehmen.


© P.R. König und THING 1997.



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